Finanzieller Verlust kann irrationales Verhalten hervorrufen. Wissenschaftler des Weizmann Instituts haben nun enthüllt, dass die Auswirkungen von Verlust sogar noch tiefer gehen:
Verlust kann unsere Ersteindrücke beeinträchtigen und unser Verständnis der realen Situation stören. Diese Erkenntnisse, die kürzlich im Journal of Neurosciences veröffentlicht wurden, könnten auch Implikationen für unser Verständnis neurologischer Mechanismen haben, die zu den posttraumatischen Stresssymptomen zählen.
Die Studie wurde von Dr. Rony Paz und seinem Studenten Offir Laufer aus dem Fachbereich Neurobiologie durchgeführt. Die Testpersonen wurden einem Lernprozess, der auf klassischer Konditionierung basierte und Geld involvierte, unterzogen. Sie mussten verschiedene Serien von Tönen, die aus drei verschiedenen Noten bestanden, anhören. Wenn sie eine Note hörten, wurde ihnen mitgeteilt, dass sie eine bestimmte Summe verdient haben. Nach einer zweiten Note sagte man ihnen, dass sie einen Teil ihres Geldes verloren haben. Nach einer dritten Note wurden sie informiert, dass ihr Bankkonto auf demselben Stand geblieben ist.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Testpersonen bei Noten, die Geldgewinn oder zumindest keinen Geldverlust bedeuteten, mit der Zeit ihre Lernfähigkeiten verbesserten und die einander ähnelnden Noten besser unterscheiden konnten. Hörten sie jedoch die „Geldverlust-Note“, wurden sie beim Unterscheiden der Noten schlechter.
Funktionelle MRI-Scans (fMRI) der Gehirnregionen, die in den Lernprozess involviert sind, zeigten auch einen emotionalen Aspekt: Die Amygdala, die mit Emotionen und Belohnung zu tun hat, war stark beteiligt.
Die Forscher bemerkten dabei auch Aktivität in einer anderen Region im Vorderhirn, welches die emotionale Reaktion abschwächt. Die Testpersonen, die eine stärkere Aktivität in dieser Region vorwiesen, wurden schlechter beim Unterscheiden der einzelnen Töne.
Paz erklärt dazu: „Die evolutionären Ursprünge dieses Verwischens unserer Fähigkeit zum Unterscheiden sind positiv: Wenn die beste Reaktion auf das Knurren eines Löwens schnelles Wegrennen ist, dann wäre es in der Tat kontraproduktiv zu versuchen, Unterschiede zwischen den einzelnen Knurrtönen zu suchen.
Ein ähnlich klingender Ton sollte uns zum Wegrennen veranlassen, ohne dass wir lange darüber nachdenken. Allerdings kann dieser selbe Verwischungsmechanismus auch heute in Stresssituationen aktiviert werden, die nicht lebensbedrohlich sind – wie etwa beim Verlust von Geld – und das wiederum kann uns schaden.“
Der Schaden kann sogar ziemlich ernsthaft sein: So kann er z.B. zu post-traumatischen Stresssymptomen führen. Wenn die Leidtragenden nicht imstande sind, zwischen einem Reiz, der eine panische Reaktion hervorruft, und einem ähnlichen, nicht bedrohlichen Reiz zu unterscheiden, können sie starke emotionale Reaktionen in unangebrachten Situationen erleben. Dieses perzeptuelle Verwischen könnte sogar über einen bestimmten Zeitraum andauern und eine breite Spannweite von Reizen einschließen.
Paz beabsichtigt in Zukunft, diese Möglichkeit in einer Forschungsstudie zu untersuchen.
(Weizman Institut für Wissenschaft, 24.06.12) |