Montag, 09.11.2009
 
 
‚Kristallnacht’ und darüber hinaus
 
Von Robert Wistrich


Baden-Baden, 10. November 1938 (Foto: Yad Vashem)

Am 9. November 1938 fand noch zu Friedenszeiten ein gewaltiges antijüdisches Pogrom im gesamten Territorium des Dritten Reiches statt. 


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Nach einer verhältnismäßig ruhigen Woche haben palästinensische Terroristen aus dem Gaza-Streifen am Sonntagabend wieder eine Kassam-Rakete auf den Süden Israels abgefeuert.

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‚Kristallnacht’ und darüber hinaus
Von Robert Wistrich

Am 9. November 1938 fand noch zu Friedenszeiten ein gewaltiges antijüdisches Pogrom im gesamten Territorium des Dritten Reiches statt. Der Vorwand für diese Orgie der Gewalt gegen die deutschen Juden war das Attentat Herschel Grynszpans, eines 17jährigen polnisch-jüdischen Flüchtlings, auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris.

Das staatlich organisierte, von Hitler und Joseph Goebbels angestachelte Pogrom resultierte im in der Niederbrennung oder Beschädigung von mehr als 1000 Synagogen; dem Plündern von etwa 7500 Geschäften, der Ermordung von mindestens 91 Juden und der Deportation von weiteren 30 000 männlichen Juden in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen.

Der mörderische Angriff gegen das deutsche Judentum – von den Nazis zynisch als ‚Kristallnacht’ bezeichnet – war ein wichtiger Wendepunkt auf dem Weg zur ‚Endlösung’ der sog. ‚Judenfrage’. Er gab zu erkennen, dass das Naziregime den Rubikon überschritten hatte und sich bei seinem ‚Krieg gegen die Juden’ nicht länger von der öffentlichen Meinung im Westen würde abschrecken lassen.

Die wirtschaftliche Enteignung der deutschen Juden, ihre völlige soziale Ächtung und öffentliche Erniedrigung folgten rasch. Juden wurde die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel untersagt, ebenso der Besuch von Konzerten, Theatern, Kinos, Einkaufszentren und Stränden sowie das Sitzen auf öffentlichen Bänken. Nur zwei Wochen nach der ‚Kristallnacht’ prophezeite die SS-Zeitschrift ‚Das Schwarze Korps’ in erschreckender Weise das endgültige Ende des deutschen Judentums durch „Feuer und Schwert“ und seine völlige Vernichtung.

Heute – diese Verbindung schockiert – ist das Gespenst solch eines apokalyptischen Antisemitismus zurückgekehrt, um Europa und andere Kontinente heimzusuchen, wobei es häufig radikal neue Gestalt annimmt. Im Nahen Osten hat es eine besonders gefährliche, giftige und potentiell genozidäre Aura des Hasses angenommen, in enger Verbindung zur ‚Mission’ des Heiligen Krieges (Jihad) gegen den Westen und die Juden.

Der islamistische Antisemitismus ist tief durchdrungen von vielen der aufhetzerischsten Themen, die Gewaltaktionen wie die ‚Kristallnacht’ und ihr grauenvolles Nachspiel während des Holocausts erst möglich gemacht haben. Man nehme als Beispiel die weit verbreiteten Protokolle der Weisen von Zion mit ihrem Dauerthema der ‚jüdischen Verschwörung für die Weltherrschaft’; oder die mittelalterliche Ritualmordanklage, die aus dem christlichen Europa in die muslimische Welt exportiert wurde; oder das niederträchtige stereotype Bild von Juden als betrügerische, habgierige und blutrünstige Menschen, die unaufhörlich darauf hinarbeiten, die islamische Welt zu untergraben. Zu diesen grotesken Erfindungen muss man noch aktuellere Verunglimpfungen wie die Holocaust-Leugnung hinzufügen, die in Ahmadinejads Iran zu einem staatlich finanzierten Projekt geworden ist und auch in der arabischen Welt immer mehr um sich greift.

Ebenso in Mode – und zunehmend beliebt in Europa – ist die beleidigende Gleichsetzung Israels mit dem Nazismus oder die Rede von „ethnischen Säuberungen“ an den Palästinensern. Diese modernisierte Version eines invertierten Antisemitismus, der unter der Maske von ‚Antizionismus’ und Antiamerikanismus auftritt, ist heute ein globales Phänomen; infolge der ungelösten ‚palästinensischen Frage’ findet sie im Nahen Osten jedoch besondere Resonanz.

Das Ausmaß und der Extremismus der in arabischen und muslimischen Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Karikaturen, auf islamistischen Websites, in nahöstlichen Radio- und Fernsehnachrichten, Reportagen, Filmen und Erziehungsmaterial zum Ausdruck kommenden Äußerungen lassen sich nur mit denen von Nazideutschland vergleichen. Doch die westliche Welt verschließt weitgehend die Augen vor den anzunehmenden genozidären  Folgen dieser Kultur des Hasses, ganz so wie sie es vor 70 Jahren getan hat.

Meine eigene ausgedehnte Forschung zu diesem Phänomen hat mich - leider - davon überzeugt, dass die Plage des Antisemitismus mit dem Holocaust nicht neutralisiert worden ist. Auf unheilvolle und mitunter hinterhältige Weise sind durch die weit verbreitete Diffamierung und Dämonisierung Israels Phantasien einer Vollendung des mörderischen Werkes des Dritten Reiches wiederbelebt worden. Insbesondere im Falle des Iran ist dies greifbar.

Somit wirft der Jahrestag der ‚Kristallnacht’  zwei grundsätzliche moralische Fragen für die Zukunft der menschlichen Zivilisation auf. Sind wir in der Lage, aus der Geschichte zu lernen, und wird das jüdische Volk abermals allein konkreten Vernichtungsdrohungen gegenüberstehen? Von der Antwort auf diese Fragen wird möglicherweise viel abhängen.

Prof. Robert S. Wistrich ist Direktor des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism an der Hebräischen Universität Jerusalem.

(Yedioth Ahronot, 09.11.09)

Die im Newsletter veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder.
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DIG-Presseerklärung zum 9. November
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Dr. h.c. Johannes Gerster hat zum 9. November eine Presseerklärung veröffentlicht:

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Rakete nahe Sderot


Nach einer verhältnismäßig ruhigen Woche haben palästinensische Terroristen aus dem Gaza-Streifen am Sonntagabend wieder eine Kassam-Rakete auf den Süden Israels abgefeuert. Die Rakete explodierte auf freiem Feld westlich der Kleinstadt Sderot und richtete keinen Personen- oder Sachschaden an.

(Yedioth Ahronot, 09.11.09)
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