Von Shimon Peres Es besteht kein Mangel an Meinungen, wenn es um Fragen des Nahen
Ostens geht, und die jüngsten Ereignisse in Gaza haben sie nicht
gedämpft. Eine Minderheit von Nahost-Experten ist kürzlich als
Anwalt für eine Ein-Staaten-Lösung hervorgetreten. Eine solche würde
Israels Legitimität und sein international anerkanntes Existenzrecht
als souveräner jüdischer Staat im Land meiner Vorväter untergraben.
Ich selbst habe persönlich dem erstaunlichen Fortschritt beigewohnt,
den wir in den vergangenen Jahren mit der Palästinensischen
Autonomiebehörde gemacht haben, und ich glaube, dass eine
Zwei-Staaten-Lösung nicht nur die beste Lösung für diesen uralten
Konflikt ist, sondern auch, dass sie in unserer Reichweite
liegt.
Der Ein-Staaten-Lösung sind so viele Schwachstellen zu Eigen,
dass sie überhaupt gar keine Lösung ist. Aus Israels Perspektive ist
es dem jüdischen Volk unmöglich, eine Regelung zu akzeptieren, die
das Ende der Existenz eines jüdischen Staates bezeichnet. Was die
Perspektive der Palästinenser angeht, so darf ihnen nicht die
Gelegenheit genommen werden, ihr nationales Schicksal in die eigene
Hand zu nehmen.
Gegner der Zwei-Staaten-Lösung behaupten – nicht ohne Grund -,
dass Gaza und das Westjordanland zu klein sind, um die
palästinensischen Flüchtlinge aufzunehmen. Das wäre freilich auch
der Fall unter dem Ein-Staaten-Schema; sie würde in einem Staat
resultieren, der gerade einmal 24 000 Quadratkilometer umfasst und
bereits jetzt mit einer Bevölkerung von mehr als 10 Millionen (5.5
Millionen Juden und 4.5 Millionen Arabern) am Überlaufen ist.
Während Zyniker die Größe des Westjordanlands und Gazas zur Debatte
stellen, brauchen die Optimisten zu ihrer Beruhigung nicht weiter
als nach Singapur zu blicken.
Das Gebiet des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens ist
neunmal größer als das Singapurs, die palästinensische Bevölkerung
in beiden Regionen hingegen kleiner als die Singapurs. Das
südostasiatische Land erfreut sich eines der höchsten
Lebensstandards auf der Welt. Wir glauben daran, dass die
Palästinenser zum Erzielen eines ähnlichen Erfolgs fähig sind, und
wir werden weiter unermüdlich mit unseren Partnern am
Verhandlungstisch auf die Gründung eines autonomen palästinensischen
Staates hinarbeiten, in dem die Menschen eine moderne Wirtschaft auf
der Grundlage von Wissenschaft, Technologie und den Wohltaten des
Friedens in Gang setzen werden.
Die Schaffung eines einzelnen multinationalen Landes ist ein
dürftiger Pfad, der nichts Gutes für den Frieden verheißt, sondern
vielmehr die Perpetuierung des Konflikts befördert. Der von
Blutvergießen und Instabilität heimgesuchte Libanon ist nur eines
von vielen Beispielen eines nicht zu wünschenden Sumpfes dieser
Art.
Die Schwierigkeiten einer Zwei-Staaten-Lösung sind zahllos, aber
sie bleibt das einzige realistische und moralische Rezept für die
Beendigung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Diejenigen,
die sich dieser Lösung nicht verpflichtet fühlen, argumentieren,
dass Israels Taille nach der Schaffung eines palästinensischen
Staates - mit etwa zehn Kilometern - zu schmal wäre, um die
Sicherheit für seine Bürger zu gewährleisten.
In der Tat, zehn Kilometer werden für eine volle
Sicherheitsgarantie zu schmal sein, was nur unsere Überzeugung
bestätigt, dass Israels Sicherheit nicht nur auf territorialer
Verteidigung, sondern auf Frieden beruht. Der Frieden verleiht weite
Flügel. Selbst wenn die Taille schmal ist.
Im vergangenen Monat hat der libyische Staatschef Muammar Gaddafi
seine Vorschläge für eine Ein-Staaten-Lösung erläutert. Obwohl ich
mit seiner Rezeptur nicht übereinstimme, ermutigt mich die Art und
Weise, in der er sich erklärt und seine Sache vertritt.
Am meisten springt dies bei seiner fundamentalen und zentralen
Prämisse ins Auge, dass „das jüdische Volk sein Heimatland will und
verdient“. Die Resonanz dieser Worte ist entscheidend, denn sie
entsprechen diametral den radikal-muslimischen Elementen, die dem
jüdischen Volk das Recht auf eine Heimat im Land ihrer Vorväter
absprechen und auf dieser Grundlage einem mörderischen Jihad das
Wort reden, dessen Ziel die Zerstörung Israels ist.
Das jüdische Volk will in Frieden in seiner rechtmäßigen,
historischen Heimat leben, und verdient dies. Das palästinensische
Volk will in seinem eigenen Land mit seinen eigenen politischen
Institutionen und seinem Recht auf Selbstbestimmung leben und
verdient dies. Es ist unerlässlich, dass man diese Angelegenheit auf
der Aussicht auf Koexistenz zwischen Juden und Arabern begründet,
die in Bereichen wie Wirtschaft, Tourismus, Umweltschutz und
Verteidigung zur Kooperation wird. All dies wird nur dadurch zu
erreichen sein, dass man jedem Volk seinen eigenen Staat und seine
eigenen Grenzen zugesteht, auf dass die jeweiligen Bürger ihrem
Glauben gemäß beten, ihre Kulturen pflegen, ihre Sprachen sprechen
und ihr Erbe bewahren können.
Lassen Sie uns unsere größten Anstrengungen darauf richten, diese
zwei Staaten zum Blühen zu bringen. Vielleicht werden Israelis und
Palästinenser eines Tages, wie in Europa, beschließen, Grenzen nicht
länger die wirtschaftliche Zusammenarbeit behindern und einen
Vorwand zum Krieg bieten zu lassen.
Shimon Peres ist Präsident des Staates Israel.
(The Washington Post, 10.02.09) |