Von Gadi Taub Die Haltung gegenüber der Militäroperation in Gaza hat uns mehr
denn je in die Lage versetzt, die Aufrüttelung im Lager der
israelischen Linken zu erkennen und klarer zwischen den
verschiedenen Positionen zu unterscheiden, die sich unter dem
Ausdruck ‚Links’ versammeln. Am einen Ende des Spektrums haben
wir das, was man als die radikale (oder postzionistische) Linke
bezeichnet. Dieses linke Lager, das zum größten Teil in den
Universitäten und ein wenig in den Medien zu finden ist, hat eine
Doppelnatur: Es wird von einem starken antiisraelischen Sentiment
angetrieben, und seine Argumente stützen sich auf die Sensibilität
gegenüber den Menschenrechten.
Seit den Anschlägen vom 11. September und mehr noch seit dem
Aufstieg der Hamas ist viel vom Prestige dieses Lagers
dahingeschwunden: Seine Sensibilität gegenüber
Menschenrechtsverletzungen Israels vis-à-vis der Indifferenz
gegenüber den Menschenrechtsverletzungen von Israels Feinden haben
seine Glaubwürdigkeit innerhalb des linken Lagers selbst ausgehöhlt.
Wie sich herausgestellt hat, ist die radikale Linke bereit, die
schlimmsten Menschenrechtsverletzer zu verteidigen, solange dies der
Verunglimpfung Israels dient.
Der Gaza-Feldzug hat diese Linken dazu gezwungen, sie auf die
Opferzahl zu konzentrieren. Sie hat diesmal allerdings nicht helfen
können. Es war zu offensichtlich, dass Israel infolge der
andauernden Angriffe auf seine Bürger, die trotz des vollständigen
Rückzugs Israels aus dem Gaza-Streifen verüben worden sind, keine
andere Wahl hatte, als diesen Einsatz durchzuführen.
Daher war die radikale Linke gezwungen, sich auf das Argument zu
stützen, das sie mit der weniger radikalen Linken gemeinsam hat –
dem linken Lager, dass noch zionistisch ist, wenn auch kaum. Dieses
Lager verachtet den jüdischen Staat nicht grundsätzlich, sondern nur
in der Praxis: Es glaubt, dass Israel es stets vorzieht, Gewalt
anzuwenden, statt den Pfad des Friedens einzuschlagen.
Hier versuchte man, die Verantwortung für den Krieg Israel
anzulasten. Angehörige dieses Lagers haben uns erzählt, dass sich
Israel aus Gaza zurückgezogen hat, dieses jedoch durch die Blockade
zu einem Gefängnis gemacht hat. Es habe sich geweigert, in
Verhandlungen einzutreten und die militärische Option bevorzugt.
Dieses Argument macht eine recht erhebliche Umschreibung der
Geschichte notwendig. Die Übergänge zum Gaza-Streifen wurden infolge
der Raketenangriffe (teilweise und gelegentlich) abgesperrt und
nicht umgekehrt. Tatsächlich hat Israel die Übergänge für die meiste
Zeit der Feuerpause geöffnet, jedes Mal wenn die Hamas so freundlich
war, die Waffenruhe einzuhalten.
Zweitens wurde Gaza auch dann, wenn die Übergänge geschlossen
waren, nicht zu einem Gefängnis und war keiner Blockade ausgesetzt.
Schließlich hat es eine Grenze zu Ägypten.
Drittens hat Israel sich faktisch in Verhandlungen begeben (über
eine dritte Partei), während es die Hamas war, die die Feuerpause
beendete.
Insofern war es schwer, die Israelis davon zu überzeugen, dass
sie es sind, die hier nach Jahren der Zurückhaltung (die an
Fahrlässigkeit grenzte) die angriffslustige Seite darstellen.
Folglich machte die kaum-zionistische Linke dieses Mal auch kaum
einen Eindruck.
Die wahre zionistische Linke hat diese Argumente zu ihrer Linken
nicht akzeptiert; jedenfalls im Grundsatz hat sie die Operation
größtenteils unterstützt. Sie hatte freilich bessere Gründe dafür
als die Schwäche der ‚radikalen’ Argumente: Es wurde schnell
deutlich, dass jeder, der die Teilung des Landes zu fördern wünscht,
eine entschlossene Antwort auf die Raketenbedrohung parat haben
muss. Und wenn wir an der Teilung des Landes scheitern, wird der
Zionismus auf lange Sicht im binationalen Sumpf versinken.
Mit anderen Worten: Die zionistische Linke hat wirklich
verstanden, dass die Operation notwendig war, eben gerade um diese
Agenda zu verfolgen. Daher ist es diesmal zu einem fundamentalen
Schisma zwischen diesem Lager und den Radikalen gekommen – denen die
Friedensgeräusche machen, es dabei aber vorziehen, sich in
moralistischen Posen zu ergehen, während man sich seine Hände
schmutzig machen muss, um die Teilung voranzubringen.
Die zionistische Linke hat indes weiterhin zwei Seiten:
diejenigen, die noch denken, dass Mahmoud Abbas nach der
Teilung strebt, und diejenigen, die wissen, dass wir uns einseitig
vom Binationalismus verabschieden und den Palästinensern die
Unabhängigkeit aufdrängen müssen.
So oder so, eine adäquate Reaktion auf die Raketen ist ein
Muss.
(Yedioth Ahronot, 29.01.09)
Die im Newsletter veröffentlichten Kommentare geben
nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung
wieder.
Weitere
Artikel des israelischen Autors und Historikers Gadi Taub gibt es
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