Israels Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Gabriela
Shalev, hat am Dienstag anlässlich des internationalen
Holocaustgedenktages eine Rede vor der UN-Vollversammlung gehalten.
Dabei schlug sie von ihrer eigenen Familiengeschichte einen Bogen
hin zur iranischen Bedrohung und der Holocaust-Leugnung der
Islamischen Republik. „Als lebende Relikte der Holocaust-Opfer müssen wir ihre
Geschichten erzählen – Geschichte für Geschichte. Es ist das
Mindeste, was wir für sie und so viele andere, deren Geschichten nie
erzählt worden sind, tun können.
Mein Großvater Siegfried Mannheim war ein erfolgreicher
Rechtsanwalt in Berlin und Autor einer Rechtskolumne in einer der
größten Zeitungen Berlins. Wie er waren auch seine beiden Söhne –
mein Onkel Kurt, ein junger Richter, und mein Vater Bernhard, ein
Medizinstudent – Deutsche und Juden, stolz sowohl auf ihr Land als
auch auf ihr kulturelles Erbe.
1933 wurden ihre Träume zerschlagen, ihre Welt brach zusammen.
Der Aufstieg Hitlers bedeutete, dass meinem Großvater verboten
wurde, als Anwalt zu praktizieren. Aus seinem Beruf verjagt
flüchtete er gemeinsam mit seiner Familie aus seinem Heimatland
Deutschland.
Die Familie ließ sich in Palästina/Eretz Israel nieder, damals
unter britischem Mandat, und ließ all ihr Hab und Gut zurück, um
einen Neuanfang zu machen, auf welche Weise auch immer sie konnten.
Der Richter wurde zum Bauern, der Medizinstudent zum Koch.
Sie betrachteten sich damals als alles andere als glücklich. Aber
wir wissen, was für ein Glück sie gehabt haben. Andere in meiner
Familie – meine Großeltern mütterlicherseits – flohen nicht.
Mein Großvater Shimon Peterseil war Rabbiner in Kiel, einer Stadt
in Norddeutschland. Aufgrund seines Alters vermochte er Deutschland
nicht zu verlassen – er war 70. Aber meine Großmutter, Hadas, hatte
die Weitsicht, all ihre Kinder zum Aufbau Eretz Israels zu schicken,
während sie mit ihrem Ehemann zurückblieb.
Viele Jahre wussten wir nicht, was mit ihnen geschah. Nach dem
Krieg suchte meine Familie unablässig nach jedem Stück Information
über meine Großeltern. Ich erinnere mich, wie ich als Kind auf den
Treppen unseres Hauses in Tel Aviv gesessen und auf die Ankunft
meiner Großeltern gewartet habe.
Ich habe sie nie gesehen.
Sehr viel später erführen wir, dass sie nach Theresienstadt und
von dort nach Auschwitz deportiert worden waren, zu ihrem
grauenvollen Ende.
Auschwitz
(Foto: Yad Vashem)
60 Jahre später besuchte meine älteste Tochter von 17 Jahren
Auschwitz. Sie reiste von Israel nach dort, wo meine Familie, ihre
Familie, gemeinsam mit so vielen Millionen, ermordet worden
sind.
Sie sah die Hinrichtungsmauer, die Gaskammern und die
Krematorien. Sie sah die Räume mit den Stapeln von verknäuelten
Schuhen, Brillen, Haaren und Koffern. Sie erlebte den Horror und die
Qual der Opfer – unsichtbar ihrem Auge, doch sichtbar ihrer
Seele.
Das Schicksal meiner Familie – wie das Schicksal von Millionen –
bleibt eine schmerzliche Erinnerung des Völkermords gegen sie allein
aufgrund dessen, was sie waren: Juden.
Die jüdische Tragödie des Holocaust war einzigartig; um Elie
Wiesel zu zitieren, „Nicht alle Opfer waren Juden, aber alle Juden
waren Opfer“. Allerdings hat der Holocaust eine weit reichende
universale Bedeutung, und er erlegt uns allen eine Verantwortung
auf.
Wir haben die Verantwortung, keinen Volkermord an dem jüdischen
Volk zuzulassen, an keinem Volk.
Wir haben die Verantwortung, die Lehren aus dem Holocaust zu
lernen und zu lehren, um dafür zu sorgen, dass er nie wieder
passiert.
Wir haben die Verantwortung, nicht zu schweigen. Denn zu
schweigen und den Schrecken des Holocaust gegenüber indifferent zu
bleiben, ist die größte Sünde von allen, von der Leugnung
abgesehen.
Wir haben die Verantwortung, gegen die Kräfte des Antisemitismus
vorzugehen, gegen religiösen Eifer und Rassismus in jeglicher
Form.
Wir haben die Verantwortung, jene zu verurteilen, die Kinder zum
Morden und Töten im Namen Gottes erziehen.
Wir haben die Verantwortung, jeglichen Mitgliedsstaat der
Vereinten Nationen zu verurteilen, der zur Vernichtung eines anderen
Mitgliedsstaates aufruft und sich für die Holocaust-Leugnung stark
macht.“
Die vollständige Rede Shalevs gibt es unter dem folgenden Link:
http://israel-un.mfa.gov.il/mfm/Data/153835.doc
(UN-Vertretung des Staates Israel, 27.01.09) |