Das Chabad-Zentrum war einer der zehn Schauplätze des Terrors in
Mumbai. Neun Menschen wurden hier ermordet. Insgesamt beläuft sich
die Zahl der Opfer in der indischen Metropole Angaben vom Samstag
zufolge auf 195 Personen. Sechs der Opfer im Chabad-Haus sind inzwischen identifiziert und
werden zur Beerdigung nach Israel ausgeflogen.
Die Leiter des Chabad-Hauses, Rabbi Gavriel und Rivka Holtzberg
(29 und 28), wurden beide in Israel geboren und haben das
Gemeindezentrum in Mumbai aufgebaut. Ihr zweijähriger Sohn Moseh Zvi
wurde von einem indischen Hausmädchen gerettet.
Rabbi Leibish Teitelbaum hatte als US-Bürger in Jerusalem gelebt.
Er fungierte als Kashrut-Prüfer im Chabad-Zentrum. Dort assistierte
ihm der ebenfalls ermordete Bentzion Chroman. Chroman (28) war
sowohl israelischer als auch US-amerikanischer Staatsbürger und
hinterlässt seine Frau und drei Kinder.
Die 60-jährige Yocheved Orpaz aus Givatayim reiste mit ihrer
Tochter und Enkelkindern durch Indien.
Norma Shvarzblat Rabinovich (50) stammte aus Mexiko und
hinterlässt drei Kinder. Sie wollte gerade nach Israel reisen, um
dort den 18. Geburtstag ihres Sohnes zu feiern und sich dann
einbürgern zu lassen.
Israels Ministerpräsident Ehud Olmert äußerte sich gestern in der
wöchentlichen Kabinettsitzung der israelischen Regierung zu den
Terroranschlägen in Mumbai:
„Es besteht kein Zweifel, dass diese Anschläge - u. a. – bewusst
darauf abzielten, jüdische Einrichtungen zu treffen. Der Hass auf
Juden, den Staat Israel und jüdische Symbole sind noch immer ein
Faktor, der solche mörderische Aktionen anspornt und ermutigt.“
Auch Außenministerin Tzipi Livni ließ in ähnlicher Weise
verlauten: „Die Ereignisse der letzten Tage in Indien beweisen
abermals, dass Extremisten danach trachten, anderen ihre Rechte zu
nehmen, und nicht danach, Rechte für sich selbst zu gewinnen. Ihr
Ziel war es, denjenigen Schaden zuzufügen, die die freie Welt
repräsentieren, und sie trafen ein Symbol des Judentums. Israel und
das jüdische Volk haben erneut einen schweren Preis für den
Terrorismus gezahlt. Die Welt muss sich zusammentun und dieser
Bedrohung gemeinsam begegnen – sei es in Asien, dem Nahen Osten oder
anderswo auf der Welt.“
(Außenministerium des Staates Israel, 28.11.08) |
Von Sultan al-Kassami „Sie schlagen mit Gewalt gegen meine Tür, aber ich mache nicht
auf, ich verhalte mich still“, der Mann am Telefon hält einen Moment
inne, um Luft zu holen, und fährt fort: „Aber ich bin okay.“ Dies
ist Rashid al-Awais, ein 40jähriger Marmorhändler aus den
Vereinigten Arabischen Emiraten, der vergangene Woche geschäftlich
nach Mumbai gekommen war.
Rashid, Muslim und Araber, war eine der Geiseln, die in die
Terroranschläge der feigen Verbrecherbande hineingeraten waren. Die
zitierten Worte sprach er am Donnerstagabend im Fernsehen von Dubai,
von seinem Zimmer im Oberoi-Hotel aus, in dem er seit Beginn des
Angriffs eingesperrt war. Die Vereinigten Arabischen Emirate waren
selbstverständlich einer der ersten Staaten, die das „abscheuliche
Verbrechen“ anprangerten.
Die Situation der Emirate ist einzigartig: Ihre Beziehungen mit
Indien bestehen schon Jahrhunderte und die sorglose indische
Gemeinde, die auf ihrem Territorium lebt, stellt dort die größte
Gemeinde von Ausländern dar. Der aus 56 Mitgliedern bestehende
Weltislamrat hat die Terroranschläge ebenfalls verurteilt und
erklärt, dass diese Gewalttaten „jedem humanen Wert zuwiderlaufen“.
Die Organisation fügte hinzu, dass es „nichts gibt, was diese Taten
rechtfertigen kann“ – und dies ist hier der Schlüsselsatz.
Seit den abscheulichen Angriffen des 11. September leben die
gemäßigten Muslime in ständiger Angst vor jenen „heiligen Aktionen“,
bei denen ihre Religion, deren Bedeutung der Frieden ist, als
Vorwand für Gräueltaten fungiert. Tatsächlich stoßen sie jedes Mal
einen Seufzer der Erleichterung aus, wenn sich herausstellt, dass
die Verantwortlichen für irgendeine Gewalttat keinen
islamisch-fundamentalistischen Hintergrund haben; so war es beim
Massaker in der Virginia Tech University im April 2007, bei dem 32
Menschen, hauptsächlich Studenten, von einem südkoreanischen
Staatsbürger ermordet wurden.
Es sei daran erinnert, dass so wie Rashid Al-Awais auch Muslime
Opfer der Terrortaten sind und es auch nicht-muslimische
Organisationen gibt, die Terrortaten verüben, wie die baskische
Untergrundorganisation in Spanien und die tamilischen Tiger in Sri
Lanka, eine Organisation, die für den Tod von mehr als 60 000
Menschen und mehr als 200 Terroranschläge verantwortlich ist; bei
einem von ihnen wurde der indische Ministerpräsident Rajiv Gandhi
ermordet.
Die Terrorattentäter in Mumbai hätten kein eindrucksvolleres
Symbol des Humanismus als Indien wählen können, mit seinem
wundervollen ethnischen Mosaik – ein Mosaik, das weiter strahlen
wird trotz der Verbrechen einer nicht-repräsentativen Minderheit,
die den Islam’ als Geisel nimmt’, wenn sie die Miserabilität ihrer
Existenz nicht ertragen kann.
Indien ist eine stolze Nation, in der die Hindi-Mehrheit in
Harmonie mit zahlreichen Minderheiten lebt, wie bspw. der
muslimischen, die dort auch gedeihen können. Dies ist das Land, in
dem ein Junge namens Abdul Kalam, der Zeitungen verkaufte, um sein
Studium zu finanzieren, zum Präsidenten von einer Milliarde Menschen
wurde; in dem ein junger Mann mit einem Abschluss von der Stanford
University namens Azim Premji aus einem gescheiterten
Familienunternehmen den High-Tech-Giganten Wipro machte; in dem ein
muslimischer Waisenknabe namens Sharuk Chan zum Kino-Star wurde und
ein hinduistische Frau heiratete, mit der er zuhause beide
Religionen ehrt.
Was aber am wichtigsten von allem ist: Indien ist ein Staat von
gewöhnlichen Frauen und Männern, Hindus, Christen und Muslimen, die
morgens aufstehen und zu einem langen und harten Arbeitstag
aufbrechen, um das Leben ihrer Familien zu verbessern.
Diese humanistische Vision verträgt sich nicht mit der
Weltanschauung von Terroristen und gehirngewaschenen Gewalttätern,
die ebenfalls morgens aufstehen und ihre Familien verlassen – für
eine Mordexpedition.
Es reicht nicht aus, dass gemäßigte Muslime sich gegen die
Terrorfahrt in Mumbai erheben, so wie sie sich gegen die
Terrorangriffe in New York, Amman, London, Madrid, Baslan,
Jerusalem, Bagdad und zahlreichen anderen Orten erheben. Es ist
Zeit, aufzustehen und eindeutige Worte gegen die zu sprechen, die
unsere Religion von uns geraubt haben, und sie uns
zurückzuholen.
Die Muslime müssen ihre Stimme erheben gegen diese Verbrechen,
und die islamischen Staaten müssen rechtzeitig handeln, um ein
Heilmittel gegen die Plage zu entwickeln. Die islamischen
Staaten müssen eine präventive Offensive gegen diese
Terroristen führen und wichtiger noch – gegen ihre Unterstützer. Man
muss die muslimischen Prediger umerziehen, die den Terror nicht
verurteilen, oder ihnen vollständig ihre Autorität entziehen; und
diejenigen, die den Terror vor dem Hintergrund bestimmter Konflikte
rechtfertigen, müssen zum Schweigen gebracht werden, da das Gift,
das sie spritzen, morgen auf uns zurückfallen wird.
Auch die Medien können bei dem Kampf gegen die Propaganda
behilflich sein, die die Terroristen verbreiten. Die Geschichten der
Fundamentalisten, die bereut haben, müssen im Kreis der ungebildeten
Minderheit verbreitet werden. Unsere Botschaft muss klar sein:
„Diese Gewalttaten stehen im absoluten Gegensatz zu jedem humanen
Wert, und es gibt nichts, was sie rechtfertigen kann.“
Sultan al-Kassami ist ein Geschäftsmann aus Schardscha, einem
Emirat am Persischen Golf, und Absolvent der American University of
Paris.
(Haaretz, 01.12.08)
Die im Newsletter veröffentlichten Kommentare geben
nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung
wieder. |