Von Fania Oz-Salzberger Voraussichtlich werden bald drei Frauen an der Spitze der drei
Staatsgewalten stehen. Dalia Itzik, Tzipora Livni und Dorit Beinish
werden die höchsten Ämter des Staates Israel bekleiden. An ihrer
Seite wird bei offiziellen Zeremonien ein einsamer Mann sitzen,
verborgen im symbolischen heiligen Schrein der
Staatspräsidentschaft.
Dies wird ein stiftender Moment sein nicht nur in den Annalen des
Staates Israel, sondern auch in den Chroniken der politischen
Regimes. Ein derart feierliches Datum, dass man einen neuen Begriff
wird finden müssen: nicht Triumvirat, sondern Triumgynat. Womöglich
wird Israel der erste Staat in der Geschichte der Demokratie und
seit Begründung der modernen Gewaltenteilung sein, der an seiner
Sitze ein Dreieck weiblicher Führungsfiguren hat. Ich füge
vorsichtig hinzu: Wenngleich ich noch kein Triumgynat gefunden habe,
kann es sein, dass Island oder Norwegen uns schon mit drei Frauen an
der Sitze ihrer Staatsgewalten zur einen oder anderen Zeit
zuvorgekommen sind. Selbst wenn dem so wäre – der Staat Israel wird
hier einen großen historischen Moment schaffen. Warum
eigentlich?
Es bleibt noch zu beweisen, ob weibliche Führung wirklich besser
ist als männliche, oder sich überhaupt von ihr in substantieller
Weise unterscheidet. Im öffentlichen Diskurs in Israel wimmelt es
derzeit von nicht bewiesenen Beziehungen zwischen Frauen und Mitleid
oder Streben nach Frieden (als ob es Golda Meir und Margret Thatcher
nie gegeben hätte). Frauen gelten als „ziviler“, demokratischer
(womöglich meint man Liliana Ceausescu oder Soong Ching-ling, die
Trägerin des Stalin-Friedenspreises).
Eine automatische Beziehung zwischen dem weiblichen Geschlecht
und politischem Taubentum, administrativer Korrektheit oder
demokratischem Pflichtgefühl ist kompletter Unsinn. Wenigstens ist
es schmeichelnderer Unsinn als die Neigung von Medien weltweit,
Livni als „zweite Golda“ zu betrachten. Sei es wie es sei, es
handelt sich hier um geistige Faulheit, ein kurzes Gedächtnis und
einen klischeehaften Gender-Diskurs, der verschrottet gehört.
Und dennoch: Israel steht kurz davor, ein beispielhaftes Kapitel
in der Geschichte der modernen Demokratie aufzuschlagen. Nicht
wenige Frauen stehen heute an der Spitze von Staaten, sei es im
Präsidentenamt (in symbolischen oder exekutiven Sinne), sei es im
Ministerpräsidentenamt. Teilweise sind sie herausragende politische
Führungsfiguren, von Yulia Timoschenko bis – vor allem – zu Angela
Merkel. Auch die Zahl der weiblichen Parlamentsvorsitzenden ist in
der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gewachsen. Wenn es
jedoch zur Spitze der Judikative kommt, zur Präsidentschaft der
obersten Gerichtshöfe oder Verfassungsgerichte, schrumpft die Zahl
erstaunlich zusammen. Faktisch gibt es beinahe keine Frauen an
der Spitze der höchsten Gerichte weltweit.
Insofern ist die Präsidentin Beinish die seltenste Karte im
entstehenden israelischen Trio. Die israelische Judikative ist denn
auch ein Wegbereiter, und dies nicht nur in Genderfragen. Doch
reicht dies nicht aus.
Israel ist die meist bedrohte, meist gehasste, existentiell meist
umkämpfte und in der bittersten und brutalsten Debatte um das eigene
Überleben versunkene Demokratie der Welt. Die Tatsache, dass drei
Frauen an die drei Lenkräder dieser Demokratie gesetzt werden, ist
eine seltene Errungenschaft einer politischen Korrektheit im
wahrsten und tiefsten Sinne.
Nicht weil Frauen schlauer sind, gemäßigter oder mit saubereren
Händen. Sondern weil Frauen – alle Frauen außer Nofretete, Elisabeth
I. und einer Handvoll ihrer Schwestern – die gesamte Geschichte
hindurch aus der politischen Nation aller menschlichen
Gesellschaften ausgeschlossen blieben, bis auf einen kurzen
Moment.
Dieser kurze Moment begann vor 120 Jahren. Dies war die
vielleicht größte Revolution der Moderne. Israel ist seit der
Erfindung des Zionismus ein herausragender Teil dieser Revolution.
Frauen waren reguläre Delegierte auf dem ersten zionistischen
Kongress und erhielten das Stimmrecht für den zweiten. Das war im
Jahr 1898. D. h. der Zionismus hat Frauen politische
Gleichberechtigung noch vor allen anderen westlichen Staaten
zuerkannt (außer zwei entlegenen autonomen Kolonien, Neuseeland und
Südaustralien). Wann war es, dass wir zum letzten Mal innegehalten
haben, um an diese Errungenschaft zu denken, um sie vielleicht in
die Lehrpläne zu integrieren und sogar stolz auf sie zu sein?
Das stets kämpfende, machoistische, raue Israel, das nicht
Neuseeland und nicht Norwegen ist, wird seine Zukunft
voraussichtlich bald in die Hände von drei Frauen legen. Über ihre
Amtsführung und ihren Erfolg werden wir noch viel diskutieren. Aber
wenn der Moment kommt, sollten wir innehalten, in den nationalen
Spiegel blicken und dort eine große menschliche Errungenschaft
entdecken.
(Haaretz, 19.09.08)
Die im Newsletter veröffentlichten Kommentare geben
nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung
wieder. |