Von Alexander Yakobson Der langjährige ägyptische Botschafter in Israel, Mouhmad
Bassiouni dementiert die Meldungen ägyptischer Zeitungen, denen nach
er jüngst gesagt habe, als Geheimdienstoffizier und nicht als
Diplomat nach Israel geschickt worden zu sein. Bei dieser
Gelegenheit wurden jedoch noch weitere Aussagen von ihm zitiert.
Unter anderem habe Bassiouni gesagt, dass es während seines
Aufenthalts in Israel zu keinen freundschaftlichen Beziehungen
zwischen ihm und Israelis gekommen sei: „So etwas wie Freundschaft
mit Israelis gibt es nicht.“ Und mehr als das: „So etwas wie eine
israelische Gesellschaft gibt es nicht, das ist eine Ansammlung von
Einwanderern aus verschiedenen Ländern.“ Und die israelische
Demokratie? Auch so etwas gibt es nicht, meint Bassiouni.
Ganz gleich, ob diese Worte nun wirklich ausgesprochen und von
ägyptischen Journalisten so gehört wurden, muss man betonen, dass
derlei und noch weitaus Schlimmeres regelmäßig von Vertretern der
ägyptischen Bildungseliten über Israel und Israelis geäußert wird.
Es geht hierbei nicht nur um politische Kritik oder die Ablehnung
der israelischen Diplomatie, sondern um eine „Ablehnung des Anderen“
der extremsten Art.
Der „Andere“ ist nicht nur der Israeli. Das staatliche ägyptische
Fernsehen strahlt Sendungen aus, die auf den „Protokollen der Weisen
von Zion“ basieren. Antisemitismusvorwürfe weisen die Ägypter mit
der Routinebehauptung zurück, dass die Araber Semiten seien und man
sie daher nicht des Antisemitismus bezichtigen könnte. Das ist eine
besonders miserable Ausrede. Nach dieser Logik kann per definitionem
auch kein Jude des Rassismus gegenüber Arabern beschuldigt werden,
da auch die Juden Semiten sind.
In Ägypten sind Medienleute und Akademiker, Schriftsteller-,
Künstler- und Juristenverbände stets die ersten, die zu einem
Boykott alles Israelischen aufrufen und den Boykottbrechern drohen.
In kultureller Hinsicht ist es klar, dass Nagib Mahfuz, der den
Frieden und die Versöhnung mit Israel unterstützt hat, allein all
jene Schriftsteller- und Künstlerverbände aufwiegt, die Hass
verbreiten; in Hinsicht auf die Atmosphäre in der Öffentlichkeit
ergibt sich jedoch ein düsteres Bild.
Die offizielle ägyptische Politik hält zwar am Friedensvertrag
fest, wird jedoch von dieser Atmosphäre beeinflusst – auch bei
folgenschweren Fragen wie der Bereitschaft zum entschlossenen
Vorgehen gegen den Waffenschmuggel nach Gaza.
So haben sich die Anhänger des Friedens mit Ägypten den Frieden
nicht vorgestellt. Beim Besuch Anwar Sadats in Jerusalem gab es eine
Dimension wirklicher Größe und einer historischen Wegscheide. Dieses
Kapitel von Wagemut und Hoffnung ist der Geschichte der Beziehungen
zwischen beiden Völkern eingeschrieben, aber man darf nicht über das
hinwegsehen, was sich vor unseren Augen abspielt.
War der Friedensvertrag mit Ägypten – zum Preis des Rückzugs vom
Sinai und der Räumung der dortigen Siedlungen – also ein schlechtes
Geschäft? Viele der Anhänger des Prinzips ‚Land für Frieden’
schrecken vor diesem Schluss sowie seinen Folgerungen in Bezug auf
andere Schauplätze zurück und ziehen es vor, den schweren und
zerfurchten Seiten unseres Verhältnisses mit Ägypten auszuweichen.
Es gibt solche, die noch fragwürdige Ausreden für das ägyptische
Verhalten liefern, wie etwa, dass die Ägypter aus einer
verständlichen Identifikation mit den Palästinensern heraus
agieren.
Es ist freilich eine Tatsache, dass die ägyptische Feindseligkeit
gegenüber Israel sehr viel größer ist als die ägyptische Zuneigung
zu den Palästinensern, geschweige denn die Unterstützung derselben.
Ebenso klar ist, dass in dieser Feindseligkeit auch nicht wenig Neid
mitschwingt.
Die Frage, ob der Verzicht auf den Sinai richtig war, muss und
kann man dennoch positiv antworten. Das Friedensabkommen mit Ägypten
war nicht einfach ein guter Deal, sondern eine außergewöhnliche
Errungenschaft, einer der großen diplomatischen Siege in der
Geschichte des Staates. Diese Errungenschaft brachte Israel eine
jahrzehntelange Periode ohne Krieg mit Ägypten; ein Ergebnis, dass
man auf keinem anderen Wege hätte erreichen können. Das Ausscheiden
Ägyptens aus dem Kreislauf der Kriege hat für Jahrzehnte auch Syrien
die Möglichkeit zu einem Krieg mit Israel genommen.
Darüber hinaus hat der Friedensvertrag es Israel ermöglicht, die
Verteidigungsausgaben deutlich zu reduzieren. Dadurch hat er viel
zur wirtschaftlichen Vorwärtswende beigetragen, die eine der
Hauptgrundlagen für die Stärke des Landes ist. Der Friedensvertrag
hat des den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (ZAHAL)
ermöglicht, die Grenze im Süden mit wenigen Truppen zu sichern und
ihre Truppen in der Stunde der Not an einen anderen Schauplatz zu
verlegen.
Man sagt, der Frieden ist ein Zustand, in dem es weder Gewinner
noch Verlierer gibt. Diese Sentenz bezieht sich jedoch auf den
Normalzustand, in dem zwei benachbarte Staaten die Legitimität des
anderen für selbstverständlich nehmen. Wäre eine wirkliche
Friedensvision und eine wahre Versöhnung zwischen Ägypten und Israel
verwirklicht worden, könnte man dies auch über diesen Frieden sagen.
Wenn aber die ägyptischen Eliten Israel weiterhin als illegitimen
und verhassten Fremdkörper in der Region betrachten, mit dessen
Existenz man sich nur gezwungenermaßen und zähneknirschend abfinden
muss – dann lässt sich sagen, dass Jahrzehnte ohne Krieg zwischen
Ägypten und Israel doch ein Zustand sind, in dem es Sieger gibt. Der
Staat Israel ist der Sieger.
(Haaretz, 21.08.08) |