Von Jonathan Spyer Hintergrund
Millionen von Flüchtlingen -
mehr als 130 Millionen seit Ende des zweiten Weltkriegs - sind der
Verantwortung des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen
(UNHCR) unterstellt worden, das die Wiederansiedlung und
Rehabilitierung von Flüchtlingen zum Ziel hat. Am 8. Dezember 1949
verabschiedete die UN-Vollversammlung die Resolution 302 und
gründete eine Behörde, die sich allein „direkter Fürsorge und
Arbeitsprogrammen“ für die palästinensischen Flüchtlingen widmen
sollte: die UNRWA (United Nations Relief and Works Agency für
Palestinian Refugees in the Near East) – eine einzigartige
Körperschaft.
Die UNRWA existiert mehr dafür, das Problem der palästinensischen
Flüchtlinge zu perpetuieren, als es zu lösen. Kein Palästinenser hat
jemals seinen Flüchtlingsstatus verloren. Es gibt Hunderttausende
von palästinensischen Flüchtlingen und ihren Nachkommen, die
beispielsweise Bürger Jordaniens sind - was die UNRWA betrifft, sind
sie noch immer Flüchtlinge und haben somit Anrecht auf
Hilfeleistungen.
Das Problem der Definition
Als die UNRWA
1948 erstmals begann Flüchtlinge zu zählen, tat sie dies auf eine
bisher noch nicht da gewesene Art und Weise - sie suchte die Zahl
der als Flüchtlinge Definierten zu maximieren. Die UNRWA zählt jeden
Nachkommen der ursprünglichen Flüchtlinge selbst als Flüchtling, was
seit 1948 zu einem Anstieg von 400% geführt hat.
Dies war eine politisch motivierte Definition mit der
Implikation, dass die Palästinenser entweder für immer oder bis zum
dem Tag Flüchtlinge bleiben würden, an dem sie im Triumph in einen
palästinensisch-arabischen Staat zurückkehren würden, der das
Territorium beinhaltet, auf dem Israel existierte. Wenn sie ihr
Leben anderswo aufbauten, selbst nach vielen Generationen –
Jahrzehnten oder Jahrhunderten – blieben sie doch offiziell
Flüchtlinge. In anderen Situationen auf der Welt behielten
Flüchtlinge nur diesen Status, bis sie anderswo ein Heim gefunden
hatten, meist als Bürger anderer Länder.
Darüber hinaus wurde der Flüchtlingsstatus allein auf Aussage des
Bewerbers hin begründet. Die UNRWA selbst gab in einem Bericht ihres
Kommissars von 1998 zu, dass die Zahlen überdimensioniert waren:
„Die Registrierungszahlen der URWA gründen auf freiwilligen Angaben,
die die Flüchtlinge hauptsächlich machen, um Zugang zu den
Dienstleistungen der Behörde zu bekommen, und können daher nicht als
statistisch gültige Daten betrachtet werden.“
Begünstigung von Konflikt
Im Oktober 2004
gab der damalige UNRWA-Generalkommissar Peter Hansen erstmals
öffentlich zu, dass sich Hamas-Mitglieder auf der Gehaltsliste der
URWA befanden, und fügte hinzu: „Ich sehe das nicht als Verbrechen
an. Dass die Hamas eine politische Organisation ist, bedeutet nicht,
dass jedes Mitglied ein Militanter ist, und wir machen keine
politischen Überprüfungen und schließen nicht Leute mit einer
Überzeugung gegenüber anderen aus.“ Infolgedessen wurde das Geld von
Steuerzahlern in Ländern, in denen die Hamas gesetzlich als
Terrororganisation definiert ist - wie den USA und Kanada - illegal
verwendet, um von der Hamas kontrollierte Aktivitäten zu
unterstützen.
Hansens Ansicht, dass die Hamas eine normale politische
Organisation sei, deren Doktrinen die Staatsführung und die
Erziehung der Palästinenser nicht beeinträchtigen, ist die Haltung
der UNRWA geblieben. Dies ist selbst der Fall gewesen, wenn die
Hamas Gewalt gegen andere Palästinenser ausgeübt hat. Nachdem die
Organisation Gaza im Juni 2007 gewaltsam an sich gerissen hatte,
deutete die UNRWA der Hamas sofort an, dass sie erpicht darauf sei,
ihre Dienstleistungen wieder aufzunehmen. Nach der Machtübernahme
wurde nichts an dem Prozedere und der Durchführung geändert.
Eine anschauliche Demonstration dessen war der Tod von Awad
al-Qiq im Mai 2008. Qig hatte lange Zeit als Lehrer an einer
UNRWA-Schule gearbeitet und war zum Leiter ihrer Prep Boys School in
Rafiah befördert worden. Er war auch der führende Bombenbauer des
Islamischen Jihad. Er wurde getötet, während er eine Fabrik zur
Herstellung von Bomben und anderen gegen Israel gerichteten Waffen
überwachte, die nur wenig entfernt von der Schule lag. Qiq baute
somit Waffen, um israelische Zivilisten anzugreifen, während er
gleichzeitig seinen Schülern beibrachte, dasselbe zu tun. Der
Islamische Jihad brauchte ihm kein Gehalt für seine terroristischen
Aktivitäten zu zahlen. Die UNO und der amerikanische Steuerzahler
taten dies bereits.
Die steigende Anzahl von UNRWA-Lehrern, die sich offen zu
radikalen Gruppen bekennen, hat eine Lehrerfraktion geschaffen, die
die Wahl von Hamas-Mitgliedern und anderen islamistischer Ideologie
verpflichteten Individuen garantiert. Durch den Missbrauch von
Klassenzimmern zur Verbreitung radikaler Lehren gravitieren diese
Lehrer auch zu den lokalen palästinensischen Wahlen. So ist das
UNRWA-Erziehungssystem zu einem Sprungbrett für die politischen
Aktivitäten der Hamas geworden. Der Hamas-Innenminister Saeed Siyam
beispielsweise war zwischen 1980 und 2003 ein Lehrer an
UNRWA-Schulen in Gaza. Er wurde dann ein Mitglied der Gewerkschaft
arabischer UNRWA-Angestellter und leitete den Lehrerausschuss.
Andere namhafte Absolventen des UNRWA-Erziehungssystems sind u. a.
Ministerpräsident Ismail Haniyeh und der frühere Hamas-Chef Abd
al-Aziz Rantisi.
Begünstigung von Abhängigkeit
Das Budget
der UNRWA wird von vielen Ländern unterstützt, die größten Geldgeber
sind die Vereinigten Staaten und andere westliche Länder. 1990
belief sich der UNRWA-Etat auf über 292 Millionen Dollar, 2000 war
er bereits auf 365 Millionen angestiegen. Trotz dieses scheinbar
beträchtlichen Anstiegs sind die tatsächlichen Zuteilungen in den
verschiedenen Flüchtlingslagern zurückgegangen – sowohl aufgrund der
hohen Geburtenrate als auch aufgrund der expandierenden
Lagerbevölkerungen. Die Flüchtlinge wurden vom Auszug aus den Lagern
abgehalten und für den Fall, dass sie bleiben würden, mit dem
Anreiz der Fürsorge gelockt.
Die Pro-Kopf-Ausgaben unter Flüchtlingen in den Lagern sanken so
von 200 $ in jährlichen Dienstleistungen pro Flüchtling in den 70er
Jahren auf gegenwärtig etwa 70$. Diese Situation ist am
offenkundigsten im Libanon, wo die Regierung den Palästinensern -
wenn überhaupt – wenig zusätzliche Hilfe leistet.
Die UNRWA beschäftigt eine große Anzahl von Palästinensern (sie
hat 23 000 Vollzeitarbeitskräfte). Während das UN-Hochkommissariat
für Flüchtlinge (UNHCR) und der UN-Kinderfonds (UNICEF) es
vermeiden, Ortskräfte anzustellen, die gleichzeitig Empfänger ihrer
Dienstleistungen sind, macht die UNRWA diese Unterscheidung nicht.
Die UNRWA hält daher eine große Population von Flüchtlingen und
ihren Nachkommen im Dauerzustand einer vom westlichen Steuerzahler
finanzierten Wohlfahrtsabhängigkeit. Auf diese Weise fungiert sie
als Hindernis für Versuche, die Flüchtlinge zu produktiven Bürgern
zu machen. Bürokratien haben die Tendenz, sich selbst zu erhalten.
Im Falle der UNRWA wird diese Tendenz durch die Tatsache verschärft,
dass die raison d’etre der Organisation mehr darin besteht, das
Flüchtlingsproblem aufrecht zu erhalten, als eine Lösung dafür zu
finden.
Schluss
Die UN hat einen Fehler begangen,
als sie eine UN-Körperschaft schuf, die sich exklusiv einer
Flüchtlingspopulation widmet und einem modus operandi folgt, der dem
aller anderen Hilfsorganisationen zuwiderläuft. Vier Schritte sind
notwendig, um die internationale Herangehensweise an das
palästinensische Flüchtlingsproblem mit der Standardpraxis bei
vergleichbaren Situationen in Einklang zu bringen.
Erstens sollte die UNRWA selbst aufgelöst werden.
Zweitens sollten die Dienstleistungen, die die UNRWA
gegenwärtig anbietet, anderen UN-Behörden übertragen werden, v. a.
dem UNHCR, das eine lange Erfahrung mit derartigen Programmen hat.
Drittens sollte die Verantwortung für normale
Sozialleistungen der Palästinensischen Autonomiebehörde übertragen
werden. Ein großer Teil der UNRWA-Belegschaft sollte an diese
Regierungsbehörde überführt werden. Viertens sollten die
Geberländer das Höchstmaß an Überblick walten lassen, um Transparenz
und Zurechenbarkeit sicherzustellen.
Jonathan Spyer ist Senior Research Fellow am Global Research
in International Affairs Center, IDC, Herzliya.
(Begin-Sadat-Center for Strategic Studies, Perspective Papers,
27.05.08) |