Von Jonathan Halevi und Ashley Perry Der schiitische Iran strebt danach, die Position einer regionalen
Supermacht zu erlangen, indem er eine wichtige Atommacht auf der
internationalen Bühne wird. Der Iran fordert den Westen offen
heraus, wenn er versucht, die Amerikaner und Briten aus dem Irak zu
vertreiben und Hegemonie in der Golfregion zu erreichen, u. a.
mittels seines in den letzten Jahren massiv vorangetriebenen
Militärprogramms. Die iranische Führung spricht von einem „neuen
Nahen Osten“ als Antwort auf den Westen und meint damit einen
islamischen Nahen Osten, der von der Islamischen Revolution des Iran
geprägt ist.
Die politischen Aspirationen des Iran werden von einem religiösen
Eifer angetrieben. Präsident Mahmoud Ahmadinejad hat wiederholt die
„bevorstehende und offenkundige Liquidierung Israels“ beschworen,
als Codewort für die messianische Inbrunst, die er mit seinem
spirituellen Mentor, Ayatollah Mohammad Taghi Mesbah Yazdi, teilt,
einem der radikaleren Ayatollahs, der diplomatischen und
militärischen Aktivismus vertritt, um die globale islamische
Revolution voranzutreiben.
Der frühere Präsident Khatami, ein iranischer Reformer, hat Yazdi
einmal als den „Theoretiker der Gewalt“ bezeichnet. 2006 erließ
Yazdis führender Schüler, Mohsen Gharavian, eine Fatwa, die den
Einsatz von Atomwaffen gegen andere Länder genehmigte. Dies steht im
Widerspruch zu iranischen Diplomaten im Westen, die immer wieder
sagen, dass Atomwaffen dem Islam zuwiderlaufen und daher nicht
angestrebt werden sollen.
In einer Sprache, die an Ayatollah Khomeinis Fatwa gegen Salman
Rushdie erinnert, bestimmte Ahmadinejads Mentor auch: „Wenn
irgendjemand die Heiligkeit des Islam beleidigt, erlaubt der Islam,
dass sein Blut vergossen wird, ohne dass rechtliche Verfahren
notwendig wären.“
Gegenüber führenden Religionsgelehrten versuchte Ahmadinejad im
November 2005 nicht seine wahren Motive und Absichten
zurückzuhalten. Das grundlegende Ziel sei es, dem Mahdi, dem
schiitischen Messias oder „entschwundenen Messias“ den Weg zu
bereiten. Dabei betonte er, um dies zu erreichen, müsse der Iran ein
islamisches Beispiel geben, eine starke Gesellschaft aufbauen und
eine Regierungspolitik auf vielen Bereichen entwickeln, die sich um
die Zielvision des Endes der Zeit mit der Ankunft des Mahdi
bemüht.
Als Bürgermeister Teherans hat Ahmadinejad im Jahr 2004
offensichtlich heimlich die Stadtverwaltung angewiesen, eine große
Allee für den Mahdi vorzubereiten. Ein Jahr darauf stellte er als
Präsident 17 Millionen Dollar für eine blau-gekachelte Moschee in
Jamkaran in Qum zur Verfügung, die eng mit dem Mahdi-Glauben
(mahdaviat) verbunden ist. Er drängte auch zum Bau einer direkten
Zuglinie zwischen Teheran und Jamkaran.
Der religiöse Eifer, der mit der Moschee verbunden ist, zeigt
sich jeden Dienstag, wenn sich am für die Ankunft des Mahdi
angesetzten Abend Tausende von Iranern am Schrein von Jamkaran
tummeln. Sie schreiben Wünsche auf Zettel und werfen sie in einen
Brunnen, in dem der Imam erschienen sein soll. Ahmadinejad hat
einmal eine Liste der von ihm vorgeschlagenen Kabinettsmitglieder in
einen nahe der Moschee gelegenen Brunnen geworfen, um – so wird
erzählt – von der ihm zugeschriebenen göttlichen Verbindung zu
profitieren.
Am meisten beunruhigt, dass Ahmadinejad offen den Glauben
vertritt, seine Herrschaft sei der Vorbote des Mahdi. Seine Rede vor
der UNO im Jahr 2006 in Anwesenheit vieler führender Politiker aus
der ganzen Welt schloss er mit einem Gebet: „Oh mächtiger Gott, ich
bete zu dir, das Erscheinen deines letzten Treuhänders zu
beschleunigen, des Versprochenen, des perfekten und reinen
menschlichen Wesens, desjenigen, der diese Welt mit Gerechtigkeit
und Frieden erfüllen wird.“
Ein voriges Jahr im Libanon veröffentlichtes Buch mit dem Titel
„Ahmadinejad und die nächste globale Revolution“ konzentriert sich
auf Ahmadinejads schiitische Vision des Mahdi. Der Autor, Shadi
Fakiya, stellt eine direkte Verbindung zwischen Ahmadinejad und dem
Mahdi her. Fakiya behauptet, dass der gegenwärtige iranische
Präsident der Beschreibung des Kommandanten der Mahdi-Truppen
entspricht, die gemäß dem schiitschen Glauben Jerusalem
befreiten.
Ahmadinejad wird als entschlossen und direkt von Allah geführt
dargestellt und im Glauben daran, dass die „Armee der Befreiung
Jerusalems“ durch den Irak ziehen wird, ähnlich wie Ayatollah
Khomeini, der behauptete, dass die Straße nach Jerusalem durch
Karbala (eine heilige schiitische Stadt im Irak) führe würde.
Ahmadinejads Entschlossenheit, Atomwaffen zu gelangen, wird auch
als Zeichen messianischer Erlösung ausgelegt, wenn er und sein
Umkreis die Auseinandersetzung mit der internationalen Gemeinschaft
über die Verhinderung der Entwicklung von Nukleartechnologie als
einen der Wege, dem Erscheinen des Mahdi den Weg zu bereiten,
betrachten.
Wie im Christentum wird auch dem schiitischen Messias ein
‚Anti-Christ’ bzw. im schiitischen Glauben der ‚Dajjal’ vorangehen.
Die muslimische Tradition sagt voraus, dass am „Ende der Zeiten“ der
Dajjal und seine Armee damit drohen werden, den gesamten Globus zu
übernehmen, wobei der größte Teil mittels militärischer Macht
erobert und andere mit materiellem Wohlstand verführt werden sollen.
Dann wird der Mahdi erscheinen, um den Dajjal zu zerstören und
sodann nach dem Gesetz der Sharia die Welt zu regieren.
Wenn auch historisch wenig über die Identität des Dajjal bekannt
ist, behaupten mehr und mehr schiitische Imame, dass die Juden der
Dajjal und seine Anhänger sind. Diese extremistischen Imame und ihre
Gefolgsleute verweisen auf die antisemitischen ‚Protokolle der
Weisen von Zion’ als Beweis dafür, dass die Juden die Welt regieren
und den Islam korrumpieren.
Bereits in den 70er Jahren schrieb Ayatollah Khomeini in seinem
Vilayat-i Faqih, dass die Juden den Islam pervertieren und daher
göttliche Rache verdienen würden.
Ahmadinejads Obsession mit Israel führt viele dazu, davon
auszugehen, dass er glaubt, Israel sei das absolut Böse und passe in
die Rolle des vermeintlichen Dajjal. Des iranischen Präsidenten
andere Obsession, die Leugnung des Holocaust, fügt sich ebenso in
den Glauben ein, dass der Dajjal die Welt mit seinen Lügen
irrezuführen vermöge.
Gemäß der Fakiya ist das gegenwärtige Zeitalter das „Zeitalter
der Offenbarung“, in dem verschiedene Anzeichen das Erscheinen des
Mahdi verkünden: Zuerst wird es eine Zusammenkunft der Juden in
Palästina geben; danach wird der schiitsche Mahdi erscheinen und die
entscheidende Schlacht zur Vernichtung der Juden führen. Dem wird
die Errichtung eines islamischen Staates als erste Phase des
weltweiten Imam-Staats folgen. Ein wichtiges Element stellt dabei
ein dem Iran gegenüber loyales Regime im Irak dar.
Die Schilderung des Khorasani in der schiitschen Vision des
Zeitenendes ist kompatibel mit Irans spirituellem Führer, Ayatollah
Ali Khamenai, dem Staatsoberhaupt des Iran. Der Khoransani
wird die Fackel dem Mahdi übergeben und dann zum obersten Muslim
werden.
Die Beschreibung des Shuyeb bin Salah passt auf Ahmadinejad.
Shuyeb, auch bekannt als al-Shabi al-Salah, ist die Figur, die nach
der schiitischen Tradition die Armee des Mahdis führen wird, also
der Kommandant der muslimischen Truppen. Shuyeb wird als
sonnengebräunt und dünn beschrieben, mit einem kurzen Bart, aus
Teheran stammend, entschlossen und kriegerisch. Man geht davon aus,
dass Ahmadinejad sich selbst in dieser Rolle sieht, da er der
historischen Beschreibung zu entsprechen scheint.
Oberstleutnant d. Res. Jonathan D. Halevi ist Senior
Researcher of the Middle East and radical Islam am Jerusalem Center
for Public Affairs.
Ashley Perry ist politischer Analytiker und hat u. a. für das
Büro des Ministerpräsidenten gearbeitet.
(Yedioth Ahronot, 17.06.08) |