I. Iran Der Leiter des israelischen Militärgeheimdienstes (AMAN), Amos
Yadlin, hat sich in einem langen Interview mit Ari Shavit in der
Haaretz zu den existentiellen Bedrohungen geäußert, denen der Staat
Israel ausgesetzt ist. Dabei betont er, dass er sich nicht als
Prophet verstehe, der die Zukunft genau voraussagen könne. Vielmehr
wolle er Aufklärungsarbeit über mögliche Zukünfte leisten. Am Anfang
seiner Ausführungen steht die iranische Bedrohung.
„Der Iran ist nicht nur eine Bedrohung für Israel; er ist eine
Bedrohung für eine ganze Anzahl von Staaten im Nahen Osten. Darüber
hinaus ist der Iran eine globale Bedrohung. Die Iraner entwickeln
Raketen, die in der Lage sind, Atomwaffen nach Europa zu tragen, und
in der Zukunft über den Atlantik. Daher ist der Iran ein
Weltproblem.“
„Der Iran führt ein ganzes Lager an, dass die Werte der
westlichen Gesellschaft bedroht, wie sie über die letzten
Jahrhunderte in Europa und den Vereinigten Staaten geschaffen worden
sind. Sollte der Iran Atomwaffen bekommen, würde diese Bedrohung
erheblich an Bedeutung gewinnen. Jenseits des
kulturell-ideologischen Konfliktes gäbe es dann auch eine
militärisch-strategische Dimension, die die Auseinandersetzung
beeinflussen würde.“
„Die Iraner stoppen nicht bei der Reichweite [ihrer Raketen] bis
Israel. Die ballistischen Raketen, die sie entwickeln, haben
keinerlei militärische Bedeutung, wenn sie nicht Atomsprengköpfe
tragen. Jeder, der sich mit der Entwicklung von Raketen beschäftigt,
kann die reichweite von Tausend zu Tausenden Kilometern vergrößern.
Anfangs hatten die Iraner die Shihab-3-Rakete mit einer Reichweite
von 1300 Km. Nun entwickeln sie die Ashura-Rakete und arbeiten
an der Zusammensetzung von Bauteilen für Raketen einer Reichweite
von 2500 bis 3500 Km, die sie von Nordkorea erhalten haben. In
technologischer Hinsicht ist der Sprung von hier zu
Interkontinentalraketen kein großer. Er ist möglich. Wir sehen, dass
die Iraner daran arbeiten. Es ist real.“
„Bis vor einigen Monaten haben die Iraner in der
Urananreicherungsanlage in Natanz 3000 Zentrifugen betrieben.
Kürzlich hat [der iranische Staatspräsident] Ahmadinejad die
Existenz von 6000 weiteren verkündet. Wir glauben nicht, dass es
noch 6000 gibt. Es gibt noch einige Hundert.“
„Theoretisch produzieren 3000 Zentrifugen genug spaltbares
Material für eine Atombombe im Jahr. Aber die Iraner sind noch nicht
so weit. Ihre Zentrifugen sind veraltet. Ihr Ertrag ist nicht der
der Zentrifuge einer Großmacht. Der Iran bemüht sich um die
industrielle Produktion von spaltbarem Material und den Aufbau einer
Anlage mit zehntausenden Zentrifugen, aber im Moment steht er noch
vor technologischen Problemen, die er nicht überwinden kann.“
„Die iranische Atomangelegenheit ist sehr kompliziert. Auch die
Einschätzung des Zeitplans ist kompliziert. Drei wirkungsmächtige
Faktoren sind hier im Spiel. Einer davon ist der technologische
Aspekt. Der zweite ist die Frage des internationalen Drucks. Der
dritte ist die Frage nach der iranischen Nuklearstrategie. Will der
Iran so schnell wie möglich eine Atombombe oder will er zum Status
eines Schwellenlandes gelangen, in dem sich die Japaner und die
Deutschen befinden (d.h. in eine Situation, der er beachtenswertes
Know-how hätte und in Greifweite einer Atombombe wäre, ohne diese
jedoch praktisch zusammenzusetzen)? An die Fragezeichen im
Zusammenhang mit diesen drei Faktoren ist die sehr schwierige
Möglichkeit des Anfangs des kommenden Jahrzehnts gebunden, die
wahrscheinlichere Möglichkeit ist die Mitte des kommenden
Jahrzehnts.“
Ari Shavit: D.h. die Einschätzung des AMAN geht dahin, dass der
Iran zwischen 2010 und 2015 atomar bewaffnet sein wird?
„Nichts ist eindeutig, aber ja, das ist die Richtung.“
„Die Aussicht einer diplomatischen Eindämmung hängt davon ab,
dass es jemandem gelingt, den Iran zu entlarven. Der Iran hält die
Welt zum Narren. Und dennoch ist er nicht ernsthaft entlarvt worden.
Sollte der Iran in den kommenden ein bis zwei Jahren entlarvt und
über jeden Zweifel hinweg bewiesen werden, dass er die Welt
hinsichtlich seines Atomprogramms getäuscht hat, könnte die
diplomatische Kampagne wiederbelebt werden.“
„Das Paradox ist, dass nicht-militärische Optionen weniger
erfolgreich sein werden, wenn keine militärischen Optionen auf dem
Tisch sind. Aber in Europa herrscht heute die Einstellung, dass die
militärische Lösung beinahe strategisch ausgeschlossen ist. Auch in
den Vereinigten Staaten steht man heute nach Irak einem
Präventivschlag zögerlich gegenüber. Der Westen ist nicht aus
einem Guss gemacht. Es herrscht eine große kulturelle Diskrepanz
zwischen beiden Seiten des Atlantiks. In den USA gibt es einen
Kandidaten (John McCain), der sagt, dass ein militärischer Angriff
eine schlimme Option sei, ein atomar bewaffneter Iran aber eine noch
viel schlimmere. Aber wenn kein Wandel in der Geisteshaltung
einsetzt und sich nicht die Überzeugung durchsetzt, dass der Iran in
der Tat auf die Atombombe zusteuert, ist die Aussicht, dass der
Westen zur Tat schreiten wird, zwar existent, aber nicht groß.“
A. S.: Wenn es keine diplomatische Eindämmung des iranischen
Atomprogramms geben und der Westen nicht dagegen einschreiten wird,
in welcher Situation befindet sich dann Israel selbst?
„Wir sind ein sehr starkes Land. Wir sind ein Land, das mit jeder
Bedrohung im Nahen Osten umgehen kann, einschließlich der Bedrohung,
auf die Sie hinweisen.“
A.S.: Also vielleicht sollten wir uns, aus Stärke heraus, einfach
mit einem atomaren Iran abfinden und die Tatsache akzeptieren, dass
dies eine nicht abwendbare Entwicklung ist?
„Die Möglichkeit einer atomaren Bewaffnung des Iran besitzt zwei
Gravitationsebenen. Die eine Ebene besagt, dass ein radikales Regime
mit einer radikalen Waffe eine sehr gefährliche Mischung für Israel
darstellt. Wir sind die Enkel einer Generation, die nicht zugehört
hat. Einer Generation, die die Aussagen, die Juden müssten
vernichtet werden, nicht ernst genommen hat. Wir räsonieren über das
Ausmaß der Rationalität des iranischen Regimes. Sowohl die
religiösen als auch die diplomatischen Äußerungen des iranischen
Präsidenten sind keine Äußerungen eines rationalen Politikers. Daher
ist die Kombination dieser Haltung mit Atomwaffen sehr
problematisch. Es besteht keinerlei Garantie, dass der Iran ein
rationaler Atomakteur sein wird. Ich sage nicht, dass die extremsten
Szenarien die wahrscheinlichsten sind, aber es ist nicht möglich,
sie gänzlich auszuschließen. Die andere Gravitationsebene besagt,
dass Atomwaffen auch einem rational agierenden Iran das Tun von
Dingen ermöglichen wird, die er sich heute nicht leisten kann zu
tun. Der Iran hat ein Terrornetz über den gesamten Nahen Osten
geworfen. Dies ist eindeutig und tief, aber seine Aktivierung ist
zurückhaltend. Der Iran setzt heute nur einen kleinen Teil seiner
Terroroptionen in die Tat um. Er wird sich anders verhalten, wenn er
sich im Besitz von Atomwaffen weiß. Außerdem ist es klar, dass im
Falle einer atomaren Bewaffnung des Iran auch andere Staaten, die
sich als regionale Mächte verstehen, den nuklearen Weg beschreiten
werden. Ich denke zumindest an drei Staaten, die mit dem Iran als
einziger Atommacht in der Region nicht einverstanden wären. Der Nahe
Osten steht davor, ein multipolares atomares System mit einer
konventionellen Unruhe zu werden. Dies wäre – gelinde gesagt – kein
Ort, wo man gerne leben möchte.“
(Haaretz, 16.05.08) |
Eine Gruppe israelischer und ausländischer Geschäftsleute hat
ihren Plan für einen Dreimilliardendollar-Kanal zwischen dem Roten
und dem Toten Meer fertig gestellt. Hierbei sollen Wasser entsalzt
und Wasserkraft gewonnen und gleichzeitig neue Perspektiven der
regionalen Zusammenarbeit eröffnet werden.
Das Projekt könnte Arbeitsplätze für eine Million Israelis,
Palästinenser und Jordanier schaffen und alljährlich Millionen
zusätzlicher Touristen nach Israel locken. Der jordanische König
Abdallah und der saudische Prinz Walid bin-Talal haben bereits
ihre begeisterte Unterstützung des Projekts angekündigt.
Die Aufsehen erregende ‚Valley of Peace’-Initiative wurde am
vergangenen Donnerstag von dem 57jähigen israelischen Milliardär
Yitzhak Tshuva bekannt gegeben. Staatspräsident Shimon Peres hat das
Projekt inspiriert und mit vorangetrieben. Die Tycoons Shari Arison,
Nohi Danker und Stef Wertheimer haben sich zur Investition
verpflichtet. Nun muss das Projekt nur noch von der Regierung
abgesegnet werden. Staatliche Gelder sind dabei, wie Tshuva
mitgeteilt hat, nicht notwendig.
Der geplante 166 Km lange Kanal zwischen Israel und Jordanien ist
nur der Anfang. Im ‚Tal des Friedens’ in der Arava-Wüste sollen
entlang dem Kanal Dutzende von Hotels (mit 200 000 Betten) und
andere touristische Attraktionen, Umweltindustrien,
Gewächshausanlagen und einer der größten botanischen Gärten der Erde
entstehen.
Einstweilen
noch unter sich - Antilopen in der Arava
Tshuva, der sein Projekt auf der Jerusalemer Konferenz „Facing
Tomorrow“ von Shimon Peres darlegte, verbindet mit ihm auch eine
umfassende Friedensvision für den Nahen Osten.
(The Jerusalem Post, 16.05.08) |