Heute Abend beginnt der Yom Hashoa, Israels nationaler Gedenktag
für die Opfer des Holocaust und die Helden des Widerstandes. Er wird
jedes Jahr nach dem hebräischen Kalender am 27. Nissan begangen.
Ursprünglich war als Datum der 15. Nissan vorgeschlagen worden,
der Tag des Aufstands im Warschauer Ghetto (19. April 1943). Dieser
Vorschlag wurde aber schließlich verworfen, da zum selben Zeitpunkt
das Pessach-Fest stattfindet. Das jetzige Datum liegt genau eine
Woche vor dem Gedenktag an die für den Staat Israel gefallenen
Soldaten und acht Tage vor dem israelischen Unabhängigkeitstag.
Eingeführt wurde der Yom Hashoa 1959vom ersten Ministerpräsidenten
des Staates Israel, David Ben Gurion, und dem zweiten
Staatspräsidenten, Yitzhak Ben Zvi.
Zur Eröffnungszeremonie am Abend werden in der Jerusalemer
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sechs Fackeln
entzündet, die symbolisch für die sechs Millionen jüdischer Opfer
stehen. Am nächsten Morgen heulen im gesamten Land um 10 Uhr für
zwei Minuten die Sirenen. Der öffentliche Nahverkehr und
normalerweise auch alle anderen Fahrzeuge halten an, die Passanten
bleiben schweigend stehen.
Während des Yom Hashoa bleiben alle Vergnügungsstätten
geschlossen, im Fernsehen und Radio laufen keine
Unterhaltungssendungen, sondern Trauermusik oder Dokumentationen zum
Holocaust. Alle Flaggen wehen auf Halbmast. |
Der Antisemitismus mit muslimischen Wurzeln ist im Wachstum
begriffen. Verse des Koran und der mündlichen Überlieferung des
Islam werden politisch im Geiste des radikalen Islamismus
interpretiert, um den Zionismus und den Staat Israel zu
delegitimieren und das jüdische Volk zu entmenschlichen.
Das antisemitische Pamphlet "Die Protokolle der
Weisen von Zion"
Die Dimensionen und Manifestationen des Antisemitismus in der
arabisch-muslimischen Welt werden dabei von den Ereignissen im Nahen
Osten beeinflusst. So sorgen sowohl verschärfte Konfrontationen
zwischen Israel und den Palästinensern oder der Hisbollah als auch
Fortschritte im Friedensprozess, der von vielen Arabern und Muslimen
bekämpft wird, für einen Anstieg antisemitischer Manifestationen in
der arabisch-muslimischen Welt. Zentrale Themen sind zunehmend die
Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust und der Vergleich zwischen
Israel und dem Zionismus mit dem nationalsozialistischen
Deutschland. Allgemein auffällig ist die Verbindung von
Antisemitismus, Antiamerikanismus und antiwestlichem
Ressentiment.
In den vergangenen Jahren hat sich vor allem das islamistische
Regime im Iran mit seinem Streben nach der Vernichtung des Staates
Israel als Speerspitze des Antisemitismus hervorgetan. Hier handelt
es sich um eine antisemitische Staatsdoktrin, die öffentlich eine
genozidäre Politik vertritt.
Weitere Informationen zum Thema finden sich unter dem folgenden
Link: http://www.terrorism-info.org.il/malam_multimedia/English/eng_n/html/a_s_170408e.htm
(Intelligence and Terrorism Information Center, April
2008) |
Von Yair Sheleg Unter allen westlichen Ländern tun sich vor allem die Staaten
Europas – die öffentliche Meinung mehr noch als die politischen
Führungen – mit Kritik an der Politik Israels in den Gebieten
hervor. Umfragen in Europa zeigen immer wieder auf Israel als eine
der größten Gefahren für den Weltfrieden und als einen der größten
Menschenrechtsverletzter. In einer solchen Umfrage vom Juli 2007
haben 45% der Europäer Israels Politik in den Gebieten mit der des
Apartheid-Regimes in Südafrika verglichen.
Parallel dazu haben sich die europäischen Staaten im letzten
Jahrzehnt gerade beim Gedenken an den Holocaust hervorgetan, bei der
Beschäftigung mit ihrer eigenen Rolle in den Jahren der Vernichtung
und beim Ausdrücken ihres Bedauerns ob ihrer Kollaboration zur Zeit
der Vernichtung oder ob des anschließenden Raubs jüdischen
Eigentums.
Dieser Dualismus ist so auffallend, dass es viele Israelis und
Juden gibt, die meinen, dass das Gedenken und die Kritik zwei Seiten
derselben Medaille sind, die Europa von der schweren Schuld zu
befreien sucht, die auf ihm lastet: Auf der einen Seite die Schuld
zugeben und um Verzeihung bitten und auf der anderen Seite den
Judenstaat attackieren und dadurch eine Art „moralischer Balance“
zwischen ihm und Europa herstellen (‚Wenn ihr die Macht dazu habt,
stellt sich heraus, dass ihr auch nicht besser seid’). Viele andere
sehen in dem Übermaß an Kritik, die sich gerade über Israel ergießt,
sogar eine Art von Antisemitismus.
Aber eine Tatsache erschüttert diese Theorie: Israel ist den
Pfeilen der europäischen Schuld nicht allein ausgesetzt, sondern
steht dabei an der Seite der vereinigten Staaten. Auch „Onkel Sam“
wird von der europäischen Öffentlichkeit immer wieder wegen seiner
Machtpolitik angegriffen, deren herausragendes Beispiel der letzten
Jahre selbstverständlich die amerikanische Invasion und Kontrolle
des Irak ist.
Es gibt in der Tat einen gemeinsamen Nenner zwischen der
europäischen Kritik an Israel und der an den USA, und dieser
gemeinsame Nenner rührt wahrscheinlich auch von den Folgen des
Krieges her: Es ist dies das Phänomen des europäischen Pazifismus,
die Sehnsucht, jeder Gewaltanwendung, jeder machtpolitischen
Auseinadersetzung selbst mit finsteren Regimen aus dem Weg zu gehen.
Dieser Instinkt macht sich insbesondere bemerkbar, wenn von einem
Konflikt eines westlichen Staates mit einer Gesellschaft der
‚Dritten Welt’ die Rede ist, wie etwa der Konflikt zwischen den USA
und dem Irak oder der zwischen Israel und den Palästinensern.
Das hat damit zu tun, dass dann noch ein weiterer europäischer
Instinkt hinzutritt, der ebenfalls zur Geschichte gehört: das
Erbe der kolonialistischen Vergangenheit. Dieser Instinkt
lehrt die Europäer, jeden Konflikt zwischen dem Westen und der
‚Dritten Welt’ als einen kolonialistischen Konflikt zu betrachten,
bei dem man sich mit dem Underdog zu identifizieren hat, mit dem,
der als schwach erscheint. In diesem Zusammenhang wird Israel bei
der Kritik diskriminiert, aber nicht notwendigerweise in seinem
Wesen als jüdischer Staat, sondern vielmehr in seinem Wesen als
westlicher Staat.
Die europäische Sünde ist somit nicht der Antisemitismus, sondern
der Pazifismus, insbesondere wenn es um die Beziehung der Europäer
zu westlicher Machtpolitik geht. Aber dies ist keine weniger
gefährliche Sünde. Gerade der Holocaust hat bewiesen, wie gefährlich
die stille Akzeptanz gegenüber bösen Mächten ist, die offen damit
drohen, Macht zu übernehmen, zu erobern und zu vernichten – derart
sind die islamisch-fundamentalistischen Mächte von heute - , selbst
wenn sie mit gezwungenen Slogans von Kriegsvermeidung und „Frieden
in unserer Zeit“ daherkommt. Der Zweite Weltkrieg hat auch beweisen,
dass solche Politik letztlich nichts nützt. Sie erhöht nur erheblich
den Preis, den man zahlen muss, um mit den so noch erstarkenden
Mächten des Bösen fertig zu werden, und im Hinblick auf die
Massenvernichtungswaffen von heute weiß man nicht, ob es nicht schon
zu spät sein wird.
In diesem Sinne gibt es offensichtlich einen tieferen
Zusammenhang zwischen dem europäischen Pazifismus und der niedrigen
Geburtenrate auf dem Kontinent: Beide zeugen von dem Phänomen „Esse
und trinke, denn morgen werden wir tot sein“, einem tiefen
Misstrauen in das Leben auf lange Sicht, denn der Lebenswille, der
nicht nur der des Individuums, sondern auch der der es umgebenden
Zivilisation ist, fordert Opfer. Er fordert die Anstrengung, die mit
dem Aufziehen von Kindern verbunden ist, wie auch die Anstrengung
und das Risiko, die mit dem Kampf für die Werte der Freiheit und für
die nationale und souveräne Existenz verbunden sind, damit diese für
die zukünftigen Generation erhalten bleiben. Dies ist wahr in
Europa, so wie es wahr in Israel ist.
(Haaretz, 30.04.08) |