Israels Ministerpräsident Ehud Olmert hat sich am Montag nach
seinem Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen Mirek Topolanek
Fragen der Presse gestellt. Dabei stellte er klar, dass Israel in
keiner Weise mit der Terrororganisation Hamas verhandle und dies
auch nicht zu tun beabsichtige. „Wir stehen nicht morgens auf und suchen nach einem Grund, um auf
Terroristen in Gaza zu feuern. Wir feuern, da sie auf uns feuern;
wir kämpfen, da sie uns bekämpfen. Wenn der Terror aufhört, wenn
keine Kassam-Raketen mehr über den Einwohnern Sderots niedergehen,
wenn keine Grad-Raketen mehr über den Einwohnern Ashkelons und der
Gemeinden an der Grenze Gazas niedergehen und sie zu einem ruhigen
Leben und zur Gelassenheit zurückkehren können; wenn es keinen
Waffenschmuggel mehr gibt; wenn es keine Gewalttaten mehr gegen
Israel gibt – dann wird Israel keinen Grund haben, die Terroristen
dort zu bekämpfen.
Der Verteidigungsminister hat dies heute wiederholt, und meine
Stellungnahmen von vor einigen Tagen – so wie die heutigen – geben
Israels Politik genau wieder. Es gibt keine Vereinbarung; es gibt
keine Verhandlungen, weder direkt noch indirekt. Es gibt eine
eindeutige israelische Forderung, die sich nicht ändern wird, und
wenn dieser Forderung begegnet wird, werden ohnehin keine
Verhandlungen notwendig sein.“
In Bezug auf etwaige Verhandlungen mit Syrien bemerkte
Olmert:
„Wir sind an Frieden mit Syrien interessiert. Die Syrer wissen
sehr gut, was sie dafür zu tun haben, so wie wir wissen, was wir zu
tun haben, und ich hoffe, dass die Syrer in der Lage sein werden das
Notwendige zu tun, damit es möglich wird, wirkliche Gespräche zu
führen, um dem Frieden näher zu kommen.“
Anlässlich des Besuchs des tschechischen Ministerpräsidenten
Topolanek lobte Olmert die außergewöhnlich guten Beziehungen
zwischen Israel und Tschechien, die noch weiter vertieft werden
würden.
(Außenministerium des Staates Israel, 10.03.08) |
Der israelische Ideenhistoriker Zeev Sternhell erhält dieses Jahr
als weltweit renommierter Faschismusforscher und einer der führenden
Intellektuellen seines Landes den Israel-Preis für politische
Wissenschaften. In einem Interview mit Ari Shavit hat er sich nun
ausführlich zu seinem Verhältnis zu Israel und dem Zionismus
geäußert.
(Foto:
Daniel Bar On, © Hebrew University of Jerusalem)
Für Sternhell, der 1935 in Galizien geboren wurde, den Holocaust
im besetzten Polen überlebte und 1951 von Frankreich aus nach Israel
einwanderte, stellt Israel vor dem Hintergrund der Erfahrungen
seiner Jugend nicht primär eine politische Angelegenheit, sondern
eine „Rückkehr zur Menschlichkeit“ dar: „Eine Rückkehr zum Leben als
Menschen. Denn dort, im Ghetto, hat man die menschliche Grundlage in
sich verloren. Die menschliche Identität. Man hörte überhaupt auf,
menschlich zu sein. Man war kein Mensch.“
„Als Jugendlicher in Avignon habe ich drei Zeitungen am Tag
gelesen und durch die die Entwicklungen in Palästina verfolgt. Dann
kam die Erklärung zur Gründung des Staates, im Mai 1948. Ihre
Generation kann nicht die Aufregung verstehen, die uns erfasste. Es
war nur vier Jahre, nachdem die Rote Armee uns befreit hatte, sechs
Jahre, nachdem die Nazis das Ghetto ausgelöscht hatten. Und der
Übergang von diesem Schrecken, dieser Hilflosigkeit, zu einem
jüdischen Staat, der einen Krieg gewinnt.
Als 13jähriger Junge fürchtete ich sehr, dass die Araber die
Juden abschlachten würden. Es sah aus, als gäbe es nur 60 000 Juden
und um sie herum Millionen von Arabern. Und dann die Tatsache, dass
die Armee der Juden kämpfte und siegte und der Staat entstand – das
war für mich etwas jenseits aller Vorstellungen. Die reine Tatsache,
dass diese Juden, die in die Ghettos gingen, die man durch die
Straßen jagte, die man tötete und schlachtete, nun aufstehen und
sich einen Staat errichten. Ich betrachtete dies wirklich als ein
Wunder. Dies war ein historisches Ereignis von beinahe
metaphysischer Dimension. Und plötzlich gibt es Juden, die Minister
sind, Juden, die Offiziere sind, und einen Pass, Uniformen, eine
Flagge. Und jetzt haben die Juden, was die Goyim haben. Sie sind
nicht mehr von den Goyim abhängig. Sie können auf sich selbst
aufpassen. Die Gründung des Staates war für mich wie die Schöpfung
der Welt. In meinem ganzen Leben gab es keinen aufregenderen Moment.
Er versetzte mich in eine Art Rauschzustand.“
„Ich bin nicht nur Zionist, ich bin Super-Zionist. Für mich war
und bleibt der Zionismus das Recht der Juden, selbst über ihr
Schicksal und ihre Zukunft zu bestimmen. Das Recht von Menschen,
Herren ihrer selbst zu sein, ist in meinen Augen ein Naturrecht. Ein
Recht, das die Geschichte den Juden verweigert hatte und vom
Zionismus zurückgeholt wurde. Das ist seine tiefere Bedeutung. Damit
stellt er eine mächtige Revolution dar, die das Leben von jedem
einzelnen von uns berührt. Ich habe diese Revolution gefühlt, als
ich im Gymnasiastenalter allein nach Israel einwanderte. Erst da,
als ich im Hafen von Haifa das Schiff „Artza“ verließ, hörte ich
auf, das Objekt des Handelns anderer zu sein und wurde zu einem
Subjekt. Erst dann wurde ich zu einem Menschen, der über sich selbst
bestimmt und nicht von anderen abhängig ist.“
„Ich bin ein alter zionistischer Linker, sowohl im nationalen als
auch im sozialen Sinne. Wenn man so will, bin ich ein
National-Israeli. Es wird zweifellos Freunde von mir auf der Welt
geben, die dies nicht positiv betrachten, aber ich habe noch nie
darum gebeten, positiv betrachtet zu werden. Wer den Zweiten
Weltkrieg überstanden und die Gründung des Staates erlebt hat und
allein mit noch nicht einmal 16 Jahren eingewandert ist, ist allein
daher hierher gekommen, um in einem jüdischen Nationalstaat zu
leben.
Es liegen hier zwei Dimensionen vor. In der einen Dimension
glaube ich nicht, dass man hier die Existenz sichern kann ohne
Nationalstaat. Ich mache mir nichts vor. Ich glaube, wenn die Araber
uns vernichten könnten, würden sie dies mit Freude tun. Wenn die
Palästinenser und die Ägypter, und all jene, die mit uns Abkommen
unterzeichnet haben, etwas tun könnten, damit wir nicht hier wären,
wären sie glücklich. Daher droht uns noch immer eine existentielle
Gefahr. Und Stärke ist noch immer die Versicherungspolice für unsere
Fortexistenz. Und obwohl ich gegen die Besatzung bin, und obwohl ich
will, dass die Palästinenser die gleichen Rechte haben wie ich,
glaube ich, dass ich den nationalstaatlichen Rahmen brauche, um mich
selbst zu verteidigen.
Aber es gibt auch die andere Dimension. Ich habe keine Religion.
Ich habe nicht die Sicherheit und nicht die Stütze der Religion.
Daher bin ich ohne den nationalstaatlichen Rahmen ein entwurzelter
Mensch. Ein unvollständiger Mensch. Es ist ein Paradox. Heute
sprechen die Religiösen im Namen des Nationalismus, den ich nicht
akzeptiere, da er den anderen, den palästinensischen Nationalismus
nicht achtet. Aber die Wahrheit ist, dass wir, die Säkularen, des
nationalstaatlichen Rahmens sehr viel mehr bedürfen als die
Religiösen. Wenn man mir Israel nimmt, bleibe ich mit nichts, gar
nichts zurück. Ich bin nackt und bloß. Daher ist Israel so wichtig
für mich. Und ich kann es nicht wie eine vollendete, gewöhnliche und
normale Tatsache behandeln. Ich behandle es wie etwas, das man die
ganze Zeit schützen muss. Etwas, bei dem man darauf achten muss,
dass es einem nicht zwischen den Fingern zerrinnt. Denn Dinge
zerrinnen leicht, das haben wir schon gelernt. Und manchmal schnell,
von einem Tag auf den anderen.“
„Ich bin nicht nach Israel gekommen, um in einem binationalen
Staat zu leben. Hätte ich als Minderheit leben wollen, hätte ich
andere Orte wählen können, an denen das Leben als Minderheit sowohl
angenehmer als auch sicherer ist. Aber ich bin auch nicht nach
Israel gekommen, um ein Kolonialherr zu sein. In meinen Augen ist
ein Nationalismus, der nicht universal ist, der nicht die nationalen
Rechte anderer achtet, ein gefährlicher Nationalismus. Daher glaube
ich, dass die Zeit drängt. Wir haben keine Zeit. Und was mich
besorgt macht, ist, dass das gute Leben hier, das Geld und die Börse
und die Wohnungen in der Preislage Manhattans die Leute in einer
schrecklichen Illusion leben lassen. Aber es kann nicht noch hundert
Jahre so weiter gehen. Ich bin nicht sicher, dass es noch zehn Jahre
so weiter gehen kann.
Meine Generation, die erste Generation der Staatsgründung, für
die die Existenz des Staates ein Wunder ist, verlässt nach und nach
die Bühne. Und für uns ist es eine Tragödie, dies zu sehen. Für mich
ist das wirklich das Ende der Welt. Denn der Mensch will die
Zukunft seiner Kinder und seiner Enkel gesichert wissen. Als Bürger
will ich die Zukunft der Gesellschaft gesichert wissen, in der ich
lebe. Und als Mensch strebe ich danach, etwas zu hinterlassen,
Fingerabdrücke. Und ich will wissen, dass, wenn ich den Löffel
abgebe, meine Töchter und Enkelinnen hier weiter ein normales Leben
führen werden. Ein normales Leben, das ist, was wir wollten. Aber
heute erscheint dieses normale Leben nicht gesichert. Die Zukunft
meiner Töchter und Enkelinnen erscheint mir nicht gesichert. Und das
verfolgt mich wirklich. Es verfolgt mich, dass das, was heute ist,
morgen auseinander fallen kann.“
Zeev Sternhell ist em. Professor für politische
Wissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem.
(Haaretz, 08.03.08) |