Israels Ministerpräsident Ehud Olmert hat am Donnerstag in einer
Rede vor dem israelischen Industriellenverband zu dem andauernden
Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen und den
Anti-Terror-Operationen der israelischen Armee Stellung
genommen. „Vor etwa zwei Tagen haben Soldaten der Israelischen
Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) und Angehörige der Allgemeinen
Sicherheitsbehörde (SHABAK) eine kühne Aktion durchgeführt, bei der
viele Terroristen, Leute der Hamas, ums Leben kamen. Diese Aktion
war eine gezielte, begrenzte Aktion, die auf die gerichtet war, die
seit mehreren Tagen versuchen, Zivilisten im Süden Israels zu
treffen. Sie haben einen Schlag erlitten, und dieser Schlag wird
angesichts des fortdauernden unerträglichen Kassam-Raketenbeschusses
auf die Bewohner des Südens nicht der letzte sein.
Man braucht nicht darauf hinzuweisen, wie viel Arbeit in jede
solche Aktion investiert wird, wie viel gewaltige Anstrengung,
Fantasie, exakte Planung die Kommandanten der Armee und des SHABAK
investieren, um die zu erreichen, die für den Terror verantwortlich
sind, um den unerträglichen Beschuss auf die Bürger des Südens zu
beenden.
Ich weiß, dass es in solchen Situationen sehr leicht ist, sich zu
feurigen Parolen hinreißen zu lassen. Dies ist nicht unser Stil,
dies ist nicht der Weg dieser Regierung. Wir wollen keinen Krieg im
Gaza-Streifen führen, wir wollen seine Bewohner nicht schädigen. Wir
haben absolut keine Lust dazu, auch nur einen Bewohner Gazas zu
töten, aber wir sind weder in der Lage, noch bereit dazu, diesen von
dort kommenden unaufhörlichen Beschuss auf Bürger des Staates Israel
zu ertragen. Daher werden wir weiter agieren, weise und
entschlossen, mit maximaler Präzision, die es uns ermöglichen wird,
jene zu treffen, die uns treffen wollen, und nicht unbeteiligte
Zivilisten, die zu Opfern des Extremismus, der Gewalt, des Hasses
und der Hetze der Führer der Terrororganisationen im Gaza-Streifen
werden.
Sie machen keinen Unterschied – Frauen, Kinder, unbeteiligte
Zivilisten; sie wollen jeden einzelnen von uns treffen. Wir werden
weiterhin – obwohl es manchmal schwer ist, sich zurückzuhalten, in
einer Form agieren, die es uns ermöglicht, zu den Terroristen zu
gelangen, zu denen, die schießen, zu denen die die Raketen schicken,
zu denen, die sie ausrüsten, auf dass sie ihre Strafe erhalten
werden.
Gerade heute ist bekannt gegeben worden, dass 75 Prozent der
Kinder der Stadt Sderot unter Schock leiden. Ich weiß, dass wir
nicht selten auf die Zahl der in physischer Hinsicht Verletzten
blicken und uns sagen, dass Gott Sei Dank während des irrsinnigen
Beschusses von gestern, von heute, keiner unserer Bürger getötet
worden ist. Aber jeder, der weiß, was im Süden des Landes passiert,
weiß, was für ein hoher seelischer Preis, war für eine schwere
emotionale Bürde auf dem Leben dieser Menschen lastet, auf den
Eltern, auf den Kindern, in einer Weise, die ihnen den Seelenfrieden
zerstört und die Freude am Leben nimmt.
Wir können diese Realität nicht als eine Routine akzeptieren, mit
der man leben muss. Wir wissen uns auch offenherzig und
rational zu sagen, dass es keine einfache Antwort gibt, die all dies
komplett zu beenden vermöchte, keinen verborgenen Knopf, keinen
Zauberplan, der uns sagt, wie wir handeln sollten, und alles wäre im
Nu vorbei, aber wir wissen, dass wir dagegen kämpfen müssen. Und im
Süden wird ein Krieg geführt. Tag für Tag, Nacht für Nacht. Ein Teil
der kühnsten und tapfersten Soldaten der Armee und des SHABAK nimmt
daran teil und dieser Krieg hört nicht auf.
Der Zeitpunkt wird kommen, da sich die Waagschale in diesem Krieg
in der Weise neigen wird, dass der Beschuss im Süden nicht mehr so
sein wird, wie er jetzt ist, und ich glaube, dass sie sich
letztendlich bemühen werden, sich an andere Normen anzupassen als
diejenigen, die sie heute antreiben. Ich weiß, dass das Herz des
gesamten Staates Israel mit den Bewohnern des Südens schlägt. Ich
weiß, dass es keinen leichten Weg gibt - gewiss nicht mit Reden -,
um die Bewohner des Südens zu beruhigen und ihre Sorgen, ihren
Schmerz und die Angst, mit der sie täglich zu kämpfen haben, zu
verringern. Wir tun die Dinge, die getan werden müssen, in der
richtigen Balance und mit der richtigen Bedachtsamkeit, und vor
allem bekämpfen wir weiter den Jihad und die Hamas und jeden, der
der dazugehört – ohne Kompromiss, ohne Verzicht und ohne
Mitleid.“
(Außenministerium des Staates Israel, 17.01.08)
Bis zur Mittagsstunde sind heute bereits wieder 13 Kassam-Raketen
von palästinensischen Terroristen aus dem nördlichen Gaza-Streifen
auf israelisches Territorium abgeschossen worden. Eine landete neben
einem Kindergarten in Sderot und richtete Schaden an einer
Wasserleitung an. Verletzt wurde bisher niemand.
(Yedioth Ahronot, 18.01.08) |
Foto: DDPYoram Ben-Zeev, Israels neuer Botschafter in Berlin, hat der WELT
sein erstes großes Interview seit seinem Amtsantritt gegeben. Im
Gespräch mit Michael Stürmer und Clemens Wergin äußert er sich hier
zum aktuellen Stand des israelisch-palästinensischen
Friedensprozesses, zur iranischen Bedrohung und vor allem zu seinem
neuen Aufgabenfeld in Deutschland.
“Ich habe meine Akkreditierung zweimal abgegeben, einmal
gegenüber Bundespräsident Köhler, und dann bin ich zu Gleis 17
gegangen, von wo die Juden Berlins in Konzentrationslager gebracht
wurden. Von dort sind es ungefähr 5 Minuten mit dem Auto bis zur
israelischen Botschaft, 5 Minuten für 65 Jahre. Ich konnte gar nicht
anders als an den historischen Fehler zu denken, dass Israel bald
seinen 60. und nicht seinen 70. Geburtstag feiert. Das hätte so
viele Menschen retten können! Wie kann ich das dem Überlebenden
erklären, der mir am Gleis 17 in die Arme fällt und sagt: ‚Zu spät,
zu spät.’ Was soll ich ihm antworten? Wir sind hier, um den
moralischen Code zu beschützen, der uns dazu zwingt, von der
Geschichte zu lernen. Das ist meine Aufgabe. Und daran denke ich,
wenn ich abends nach Hause komme und mit meiner Frau bespreche, was
wir tagsüber getan haben, was wir gesehen und erfahren haben.“
„Ich kann verstehen, dass Jüngere ein wenig müde werden, sich
immer mit der Vergangenheit auseinandersetzen zu sollen. Und dass
sie sagen, das war nicht unsere Generation, nicht mal die unserer
Eltern, sondern die unserer Großeltern, wir empfinden heute genauso
wie ihr. Aber darum geht es nicht, es geht um die moralischen
Fragen. Wie beschützt man die moralische Struktur und sorgt dafür,
dass sie heil bleibt? Das moralische Diktat des Holocaust ist, zu
versuchen, wie ‚a Mensch’ zu sein, aus den Geschichtsbüchern zu
lernen. Deutschland setzt sich etwa mit dem Problem des Rassismus
und des Antisemitismus auseinander, wir haben unsere eigenen
Probleme und betreiben manchmal eine sehr schwierige
Selbstbefragung, aber wir haben einen gemeinsamen Nenner, wir
schätzen beide Freiheit und Demokratie sehr und das Recht der
Menschen, zu leben.“
Der vollständige Wortlaut des Interviews findet sich unter dem
folgenden Link: http://www.welt.de/politik/article1564483/ Die_Deutschen_machen_es_sich_nicht_einfach.html |