Was wäre leichter, als sich über eine Friedensvision wie
die Rückkehr zu den Grenzen von 1967 lustig zu machen? Zu
einer Zeit, da ein ganzes Regiment benötigt wird, um zwei
Familien in Hebron zu evakuieren, fällt es schwer zu glauben,
dass neben uns ein palästinensischer Staat auf 100 Prozent des
Westjordanlands entstehen wird. Schwer zu glauben, dass auch
nur einer der 104 illegalen Außenposten geräumt, geschweige
denn ein palästinensischer Staat auf der Grundlage eines
Landtauschs geschaffen werden wird. Ist die Auflösung von Siedlungen wirklich so unmöglich?
Natürlich nicht. Es ist eine Tatsache, dass Ariel Sharon Gush
Kativ geradezu im Handumdrehen geräumt hat. Sein
einziger Fehler war, dass er das Unglaubliche ohne vorheriges
Abkommen getan hat. Läge er nicht im Koma, wäre er ohne
Zweifel mit der zweiten und dritten Stufe fortgefahren – wie
auch immer sie sich gestaltet hätten – und hätte es den
Israelis eingehämmert, dass der Traum von Großisrael
Geschichte ist.
Die Nachricht von einem palästinensischen Staat, der sich
über 100 Prozent der umstrittenen Gebiete erstrecken soll,
erscheint auf den ersten Blick als „bloßes Gerede“. Die Idee
ist vielleicht an sich gut, aber nicht mehr ganz neu und nicht
ernsthaft. Noch vor zwei Wochen hat der Verfasser dieses
Artikels Ehud Olmert davor gewarnt, Shimon Peres nicht zu
einer aktiven Involvierung in den politischen Prozess zu
ermuntern, wenn er dessen Angebot nicht ernst nehme. Und so
ist es geschehen. Peres machte einen Vorschlag, und Olmert
nahm ihn auf und machte mit ihm Schlagzeilen. Ob er ernst ist,
bleibt noch unklar. Auf alle Fälle hat die Deklaration eines
palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 ein
ausgezeichnetes Bühnebild für das Treffen in Jericho
abgegeben, es machte die Speisen von Frau Erakat noch
schmackhafter und die Händedrücke noch wärmer.
Die Extremisten und die Skeptiker sagen, dass alles nur
Gerede ist. Aber die Geschichte der blutigen Beziehungen
zwischen Israelis und Arabern ist auch mit Gerede gepflastert.
Es ist noch niemand daran gestorben, den Weg des Dialogs
eingeschlagen zu haben. Die Gespräche Kissingers nach dem
Yom-Kippur-Krieg haben bewiesen, dass selbst in den
schlimmsten Situationen nichts unmöglich ist. Tatsache ist,
dass die von Kissinger initiierten Gespräche zu dem Abkommen
zwischen Ägypten und Israel geführt haben, in dem ein voller
Frieden für die Rückgabe besetzten Landes und die Zerstörung
der Siedlungen in der Ebene von Rafiah bis auf den letzten
Millimeter vereinbart wurde. Und wer schaffte den
Präzedenzfall des „letzten Millimeters“, wenn nicht der
Menachem Begin des Großisrael?
‚Gerede’ führte zum Friedensabkommen mit Jordanien und dem
Osloer Abkommen, das die grundsätzliche israelische
Anerkennung des Rechts der Palästinenser auf einen eigenen
Staat begründete. Die Diskussion drehte sich und dreht sich
noch immer um die Gebiete. Es gab auch ‚Gerede’ mit Syrien,
und jeder weiß, dass, wenn der Dialog zwischen beiden Staaten
von neuem beginnt, er da ansetzen wird, wo das ‚Gerede’
gestoppt hat – beim Preis.
Das Prinzip Land für Frieden ist der Schlüssel zum Frieden.
Die Frage ist wie viel für was, oder was für wie viel. Es
hängt davon ab, ob die beteiligten Politiker – Ehud Olmert,
Mahmoud Abbas und Bashar Assad – stark genug sind, den
Teufelskreis der Feindschaft mit territorialen Kompromissen zu
durchbrechen. Freilich sieht sich jeder von ihnen nicht
geringen Problemen gegenüberstehen. Über Olmerts Kopf schweben
der letzte Teil des Winograd-Berichts, eine Reihe von
Ermittlungsverfahren und ein möglicher Gewaltkonflikt mit den
Siedlern – drei Bedrohungen, die ihn zu Fall bringen können.
Ein Forschritt im Friedensprozess könnte für ihn der
Rettungsring sein. Mahmoud Abbas hat Probleme mit der Hamas,
deren Führer der palästinensischen Autonomiebehörde die
Kontrolle über den Gaza-Streifen entrissen haben und ihn
untergraben und erniedrigen. Man könnte den beiden noch den
saudischen König zur Seite stellen, der sich vor dem Iran und
dessen durchgedrehtem Führer fürchtet, der das gute Leben der
Golfstaaten bedroht, und auch Hosni Mubarak und König
Abdallah, die vor dem Einsickern des islamischen
Fundamentalismus in ihre Herrschaftssysteme Angst haben.
Der Gipfel im November, den US-Präsident Bush gemeinsam mit
dem Quartett initiiert hat, stellt für ihn die letzte Chance
dar, das Nervenzentrum des islamistischen Terrors
auszuschalten, der die freie Welt bedroht, und der Achse des
Bösen mit einer Reihe von Abkommen den Garaus zu machen. Die
politischen Führer der Region werden mit Ideen und
größtmöglicher Offenheit reüssieren müssen.
Wir werden wissen müssen, in wessen Namen Mahmoud Abbas
spricht und wie er ein von der Herrschaft der Hamas
gesäubertes Gaza zurück zu gewinnen gedenkt. Wir werden wissen
müssen, inwieweit Olmert zum Verzicht in Richtung der Grenzen
von 1967 bereit ist. Wir werden wissen müssen, ob Syrien dazu
fähig ist, ein Gesprächspartner zu sein, und ob Saudi Arabien
als Patron seine feinen Füßchen in das Becken eine umfassenden
Abkommens zu stecken bereit ist, während die Augen des Irren
aus dem Iran auf es gerichtet sind. Es ist dies Bushs letzte
Chance, eine Luke zu öffnen, durch die wir das Segel eines
Friedens am Horizont schimmern sehen können.
(Ha’aretz, 10.08.07) |