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(1) Auf geht’s, Peres!
Von Yoel Marcus

Der Nachteil eines Präsidenten, der mit 84 für sieben
Jahre gewählt wird, ist – selbstverständlich – das Alter. Der
Vorteil eines Präsidenten, der das Amt im hohen Alter antritt liegt
darin, dass er auf alle pfeifen kann. Auf jene Politiker, die sich
in all den Jahren über ihn lustig gemacht haben, auf jene, die ihn
einen „Minister für Kusbara und Diaspora“ genannt haben, auf jene,
die ihn mit Schreibtischarbeiten abgespeist oder über seinen Traum
eines „neuen Nahen Ostens“ gespottet haben.
Jeder, der erwartet, dass Shimon Peres wie die Königin von
England von einer Zeremonie zur nächsten stolpern wird, kennt
unseren neuen Präsidenten nicht. Angesichts all der Frustrationen in
der Vergangenheit und angesichts all der Undankbarkeit der
Politiker, deren Karriere Peres gefördert hat, passt es zu ihm zu
glauben, dass er nun die Verantwortung tragen und den Staat führen
wird. Was also, wenn ihm das Grundgesetz über den Staatspräsidenten
nur zeremonielle Verpflichtungen zugesteht und ihm sagt, er sei
nichts als eine Galionsfigur?
Die Verpflichtungen des Präsidenten wurden definiert, als der
Staat gegründet wurde. Dies geschah vor dem Hintergrund der
komplizierten Beziehung zwischen Chaim Weizmann, der keine Partei
hinter sich hatte, und David Ben-Gurion, der alle politische Macht
auf sich konzentrierte und nicht bestrebt war, etwas mit einem
Präsidenten zu teilen, mit dem er sich über die Jahre in der
Zionistischen Weltorganisation so oft in den Haaren gelegen hatte.
Das Ergebnis war, dass der Einflussbereich des Präsidenten äußerst
klein gehalten wurde.
Die Präsidenten des Staates Israel begnügen sich mit der
Unterzeichnung von Gesetzen, Begnadigungen, Verträgen usw. In den
Anfangszeiten des Staates ging der Kommandant der Militärparade am
Unabhängigkeitstag zum Präsidenten, der auf dem Podium saß,
salutierte und „bat“ um die Erlaubnis, die Parade beginnen zu
dürfen. Selbst diese Aufgabe wurde dem Präsidenten entzogen, nachdem
einer von ihnen die Frage nicht verstanden hatte und es einige
peinliche Augenblicke dauerte, bis die Parade schließlich
begann.
Der Präsident ist vielen Einschränkungen unterworfen. Ohne die
Zustimmung der Regierung kann er das Land nicht verlassen. Er sollte
sich nicht in kontroverse Themen einmischen. Dennoch gab es
Präsidenten, die diese Linie überschritten haben. Yitzhak Navon zum
Beispiel drohte mit der Niederlegung seines Amtes, sollte es keine
Untersuchungskommission zur Prüfung des Massakers in Sabra und
Shatilla im Jahr 1982 geben. Chaim Herzog brachte im Jahr 1984 die
Idee einer Rotationsregierung ein. Doch er unterzeichnete auch die
skandalöse Begnadigung der während der Affäre der Allgemeinen
Sicherheitsbehörde (SHABAK) Verurteilten, hinter der die Ermordung
der Entführer des Busses 300 stand. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, an
dem der Staat der Depression und dem Misstrauen gegenüber seiner
Führung verfallen ist, ist der Gedanke an einen Präsidenten, dessen
Job nichts anderes sein soll als die Debakel der Regierung zu
abzusegnen, schwer zu verdauen.
Kein Politiker war so lange in solch eine stattliche Reihe von
Aktivitäten im Bereich der Verteidigung und der Friedensdiplomatie
eingebunden wie Shimon Peres, und keiner hat solche Demütigungen
erlitten wie er. Uri Avneri nannte ihn in seiner Zeitung „Ha’olam
haseh“ (Diese Welt) „Shimon Pirsomet (Eigenreklame)“. Vielleicht
werden eines Tages Biographen und Historiker den Code knacken und
erkennen, warum Journalisten und Politiker solch eine Mischung aus
Sympathie und Antipathie für diesen Mann empfanden.
Nun, da er sieben Jahre zu spät zum Präsidenten gewählt worden
ist, ist die Zeit für ihn gekommen, mit jenen Politikern
abzurechnen, die sein Leben miserabel gemacht, ihn hinsichtlich der
Positionen, die er begehrte, ignoriert und ihn daran gehindert
haben, seinen Traum von einem neuen Nahen Osten, über den sie
spotteten und lachten, zu realisieren.
Hätte Peres einen strategischen Berater, würde dieser ihm
folgendes sagen: Sei kein „Ehrenpräsident“! Das Grundgesetz über den
Staatspräsident mag ihm nur wenig Macht gewähren, doch wo sagt es,
dass der Präsident keine eigene Meinung bezüglich kontroverser
Fragen haben darf? Zum Beispiel der Frage, was mit der arabischen
Friedensinitiative, die in Riad vorgestellt wurde, geschehen ist?
Oder der Frage, warum es so viel Korruption in der israelischen
Politik gibt? Es gibt Fragen, die der Präsident stellen kann, unter
anderem, warum Minderheiten in Israel sich nicht zum Staat zugehörig
fühlen? Er kann es ablehnen, Ernennungen zu unterschreiben, wenn er
sie für unwürdig hält. Er kann es ablehnen, der Unterzeichner für
krumme Gesetzgebungen zu sein, wie z. B. für das Gesetz, die
Amtsperiode des Gerichtspräsidenten auf sieben Jahre zu
beschränken.
In seinem Alter, bei seiner langjährigen Erfahrung, sollte Peres
keine Marionette oder Galionsfigur für öffentliche Zeremonien sein.
Dies ist keine Frage des Gesetzes sondern des gesunden
Menschenverstandes. Es gibt Zeiten, in denen eine Nation die sichere
Hand eines Stammesältesten braucht. Mit all seinem Wissen und seiner
Erfahrung, mit all dem internationalen Prestige, das er genießt, ist
Peres mit Sicherheit der erste Präsident, den wir als Stammesführer
und apolitisches Haupt betrachten können. Am Tag seiner
Amtseinführung haben wir bereits einen diesbezüglichen Einblick
erhalten, als er einem britischen Journalisten sagte, wir müssten
die palästinensischen Gebiete loswerden und die „Londoner
Vereinbarung“ erwähnte, die damals von Premierminister Yitzhak
Shamir torpediert worden war.
Was ihm das Gesetz nicht ausdrücklich verbietet, ist ihm erlaubt.
Er hat einen unersättlichen Hunger nach einem Friedensabkommen. Er
hat das Ansehen, er hat ein Mikrophon und er hat einen Mund. Lass
den Fanatikern und Friedensverweigerern keine Ruhe. Auf geht’s,
Peres!
(Ha’aretz, 17.07.07)
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