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 (2) Gegenwärtige
Einschätzungen des israelischen Militärgeheimdienstes
(II)
(Auszüge aus einem Artikel von Amir Oren)
Wie es sich in Tel Aviv darstellt, besteht die militärische
Handlungsleiter Syriens aus vier Stufen – zwei der Reaktion und zwei
der initiierten Aktion. Die reaktiven Schritte könnten wegen eines
Aufsteigens der Luftwaffe eingeleitet werden, das die syrische
Souveränität beeinträchtigen würde, oder wegen eines Einsatzes der
israelischen Armee gegen die Hisbollah, die nach einem
amerikanischen oder israelischen Vorgehen gegen den Iran auf dessen
Anweisung aktiv werden würde. Eine „kleine“ syrische Reaktion könnte
ein räumlich und zeitlich begrenzter Beschuss sein. Eine
umfassendere Reaktion würde etwa den Raketenbeschuss mehrerer Ziele
in Israel bedeuten, so etwa von Militärbasen und Ortschaften auf dem
Golan.
Aktive Schritte wären der Beginn von Kampfhandlungen, ein
blitzartiger Übernahmeversuch des Hermon oder einer Ortschaft auf
dem Golan oder der „Widerstand“ in Form von Anschlägen oder eine
Rebellion jener Drusen, die gegen eine Annexion des Golan durch
Israel sind. Eine große Aktion wäre ein Krieg in vollem Maße,
einschließlich eines Panzerangriffs auf dem Golan. Die Einschätzung
des israelischen Militärgeheimdienstes (AMAN) geht dahin, dass Assad
nicht beabsichtigt, sich bezüglich der vierten Stufe Blöße zu geben,
auch wenn die Vorbereitungen vor Ort es ihm ermöglichen würden,
sofern er seine Meinung ändern sollte.
Die Position, die AMAN-Chef Generalmajor Amos Yadlin in Bezug auf
die politische Ebene erkennt, ist recht eindeutig: Syrien schaukelt
umher zwischen dem gegenwärtigen Extremismus, vor allem hinsichtlich
des Libanon, und einer möglichen Mäßigung; es ist fähig, einen
begrenzten militärischen Einsatz gegen Israel zu versuchen, um den
Stillstand aufzubrechen und die Rückgabe des Golan mit
diplomatischen Mitteln herbeizuführen. Es liegt in Israels Hand,
Syrien mit Taten und Nicht-Taten zu überzeugen, dass ein Krieg
zwischen beiden Ländern überflüssig wäre.
Doch von den Meinungen zurück zu den Tatsachen: Iran und Syrien
haben die Hisbollah wieder aufgerüstet; allerdings hat die
Organisation, die schwere Schläge einstecken musste, das
Kommandogerüst und ihren Personalbestand für das Bedienen von
Waffen, der fortdauernder Ausbildung bedarf, noch nicht wieder
hergestellt. Die Wiederaufnahme des Konflikts mit Israel vor
Frühjahr/Sommer 2008 wäre ihr nicht angenehm. Der Generalsekretär
der Organisation, Hassan Nasrallah, verhält sich weiterhin wie ein
Verfolgter, der sich vor einem israelischen Jagdzug versteckt. Er
leidet nicht unter Verfolgungswahn; es ist dies eine angemessene
Auslegung der Wirklichkeit. Seine zwei Albträume – so meint man im
AMAN seine Gedanken lesen zu können – sind die Luftwaffe und der
Geheimdienst der israelischen Armee.
Die Bemühungen der Hamas, die Hisbollah nachzuahmen – iranische
Unterstützung (wenn auch ohne Anwesenheit der Revolutionsgarden in
Gaza; Hamas-Mitglieder trainieren in Syrien und im Iran) und
Übergang zu paramilitärischer Struktur -, machen eine wendige
Untergrundbewegung zu einem leichter zu treffenden Ziel. Die
Übernahme der Kommandozentralen der Sicherheitskräfte und der
Fatah-Büros bspw. verschafft den Hamas-Führern und ihren Einheiten
eine klarere Adresse. In einer umfassenden Offensive gegen die Hamas
in Gaza, die derzeit nicht durchgeführt wird, wird der AMAN
einen gezielten und andauernden Angriff auf die Köpfe der
Organisation befürworten, nach dem Vorbild der Ausschaltung von
Ahmed Yassin und Abd al-Aziz Rentisi. Diese Art der Ausschaltung von
Führern, meint man im AMAN, schwächt die Hamas und erschwert es ihr,
schnell anerkannte und gewandte Nachfolger zu finden.
(Ha’aretz, 06.07.07)
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