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 (3) Gegenwärtige
Einschätzungen des israelischen Militärgeheimdienstes
(I)
(Auszüge aus einem Artikel von Amir Oren)
Die fundierteste Einschätzung des israelischen
Militärgeheimdienstes (AMAN) aus der ersten Juliwoche 2007 versucht
zwischen ernsten und unmittelbaren Bedrohungen zu unterscheiden. Die
iranische Nuklearbedrohung ist die ernsteste Gefahr, doch ist sie
nicht unmittelbar. Ein Krieg mit Syrien rückt in mögliche Nähe, doch
lässt er sich mit behutsamer Diplomatie vermeiden. Jene Bewegungen,
die sich nicht mit Israels Existenz abzufinden bereit sind –
Hisbollah, Hamas, Al-Qaida – suchen keinem Kompromiss mit Israel,
sondern zögern ihren Ansturm nur so lang heraus, bis sie Kraft
gesammelt haben und die geeigneten Umstände geschaffen sein
werden.
Das Wesentliche der Einschätzung liegt darin, dass im Moment
keine Notwendigkeit besteht, sich in Sprungweite des Schutzraums
aufzuhalten. Zwar hat Bashar Assad sich nicht zur Eröffnung des
Krieges entschieden, doch zeichnet sich auf längere Sicht ein
Anstieg der Kurve der Feindschaft gegenüber Israel an. Der AMAN sagt
dies nicht ausdrücklich, doch scheint es, als ob die Bedrohungen für
Israel nach dem Jahr 2009 anwachsen werden: Der Iran wird sich
zurückhalten und seine atomare Aufrüstung bis zum Ende der Amtszeit
Bushs nicht beendet haben; letzterem wird es schwer fallen, einen
Angriff auf den Iran zu begründen, und sein Nachfolger wird den
Großteil der Truppen aus dem Irak abziehen; die Widerstandsfront
gegen den Westen und Israel – Teheran-Hisbollah-Hamas-Globaler Jihad
– wird Mut fassen und ihren strategischen Erfolg feiern – nach dem
Freitag (der muslimische Feiertag, der Niedergang der vom Westen
unterstützten Regime im Irak, in Saudi-Arabien, Jordanien, dem
Libanon und Ägypten) kommen der Shabbat (Israel) und der Sonntag
(der Westen).
Aus der Sicht des AMAN wurde das kleine unverletzliche Israel bis
1967 mit Unterstützung der Sowjetunion von großen und starken
arabischen Armeen bedroht, die es umzingelten. Der eindeutige Sieg
im Sechs-Tage-Krieg veranlaßte die arabischen Staaten dazu, sich auf
die Rückgabe der Gebiete zu konzentrieren. Von daher der
Zermürbungskrieg, der Yom-Kippur-Krieg und das diplomatische
Feilschen, durch das Anwar Sadat den Sinai zum Preis des Friedens
zurück gewann.
In den 80er Jahren verlor Hafez Assad nach und nach zwei
entscheidende Stützen, zuerst die ägyptische und dann die
sowjetische. Assad befolgte praktisch das Prinzip von David
Ben-Gurion, ohne eine große Weltmacht und ohne Koalition nicht in
einen eigeninitiierten Krieg zu ziehen. Demzufolge vermied er es -
trotz einer Reihe von Krisen, die sich am Rande eines Krieges
bewegten, und gewaltsamen Zusammenstössen mit den Israelischen
Verteidigungsstreitkräften (ZAHAL) in der Luft und auf dem Boden -
seit 1974, einen Krieg zu initiieren. Nach Auffassung des AMAN mag
sein Sohn Bashar nun davon ausgehen, dass er sowohl mit der
Unterstützung einer regionalen Großmacht (Iran) als auch einer
Koalition (Hisbollah-Hamas) rechnen kann. So wie 1967, als die
Sowjets Damaskus dazu anstachelten, sich bedroht zu fühlen, auch
wegen der Kämpfe innerhalb der russischen Führungsschicht, hat man
nun in Israel den Verdacht, dass die Russen, mit oder ohne Bezug zum
Kampf um die Nachfolge Vladimir Putins, die syrische Furcht vor
einem israelischen Angriff schüren.
(Ha’aretz, 06.07.07)
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