 (2) "Zeit für
einen Kurswechsel" von Moshe Yaalon
Es kommt nicht von ungefähr, dass Michael Orens Buch „Six Days of
War“ mit dem Terroranschlag ansetzt, den die Fatah in der Nacht des
31. Dezember 1964 unter der Anweisung von Yasser Arafat verpfuscht
hat. Ziel des Anschlags war es gewesen, die nationale
Wasserversorgung zu unterbrechen und die Region in Brand zu setzen.
Sein Scheitern hinderte die Fatah nicht daran, eine offizielle
Siegeserklärung zu veröffentlichen, die die „Pflicht zum Heiligen
Krieg (Jihad)“ beschwor und den 1. Januar 1965 als offizielles
Gründungsdatum der Terrororganisation festsetzte.
Der Sechs-Tage-Krieg hat wahrlich das Gesicht des Nahen Ostens
verändert. Aus historischer Perspektive kann er als Anfang vom Ende
der nationalistisch-säkularen Ideologie der Araber betrachtet
werden, wodurch im Endeffekt die Entstehung der
islamistisch-gotteskriegerischen Ideologien begünstigt wurde; ebenso
kann man in ihm den Anfang vom (vorübergehenden?) Ende der
konventionellen Kriege zwischen Armeen und der Verlagerung der
Bedrohung des Staates Israel sehen. Vor allem aber hat er die Art
und Weise beeinflusst, in der die Israelis sich selbst wahrnehmen;
er hat den internen Diskurs über die Grenzfragen und den
israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt.
Auf der einen Seite verwandelte sich das israelische
Selbstbewusstsein, das natürlicherweise durch den glänzenden
militärischen Sieg gestärkt wurde, bis zum Ausgang des
Yom-Kippur-Krieges zu einer gewissen Selbstgefälligkeit. Auf der
anderen Seite führte dies zu der Bereitschaft für territoriale
Zugeständnisse für den Frieden. Die Eckpfeiler der israelischen
Politik seit Ende des Krieges haben weder Annexion von Gebieten noch
die Rückkehr zu den Grenzen von 1967 verfochten. Diese Sichtweise
hat – gemeinsam mit Fehlern in der politischen Führung - letzten
Endes zu einer erheblichen Erosion der Errungenschaften des
Sechs-Tage-Krieges geführt und die israelische Position
beeinträchtigt. Gleichzeitig hat sie die zionistische Narrative und
ihre Leistungen nachteilig beeinflusst.
Diejenigen Israelis, die ein Endstatus-Abkommen mit den
Palästinenser durch „Land für Frieden“ zu erreichen versucht haben,
haben den Unterschied verwischt, der zwischen der Lösung des
Konflikts mit Ägypten durch den israelischen Rückzug vom Sinai und
dem palästinensisch-israelischen Konflikt besteht. Dies trifft noch
mehr da zu, wo der palästinensische Anspruch auf das gesamte and
Israel anstatt lediglich auf die 1967 eroberten Gebiete verdunkelt
und die beharrliche palästinensische Weigerung hinsichtlich einer
Teilung der Nation ignoriert wurden, wie sie seit der Geburt des
Zionismus gang und gäbe ist. Dadurch wurde insofern zur Erosion von
Israels Positionen beigetragen, als das Recht der Palästinenser auf
Selbstbestimmung anerkannt wurde, ohne auf der gegenseitigen
palästinensischen Anerkennung des jüdischen Volkes und eines
unabhängigen jüdischen Staates zu bestehen.
Das Selbstgefühl im Gefolge des Sechs-Tage-Krieges hat ein Gefühl
des „Stark-Genug-Für-Risiken-Seins“ geschaffen, wie es gerade zur
Zeit der Osloer Abkommen verbreitet war. Diese Selbstsicherheit
führte zum Niedergang jener Einstellung, die mit einer Gesellschaft
assoziiert wird, die sich in einem ständigen Kampf befindet. Das
ehrliche Verlangen nach Frieden wurde als Schwäche ausgelegt und
führte zu einer allgemeinen Bereitwilligkeit, die „golden Kälber“ zu
akzeptieren, die von Politikern, Schönrednern und den Medien
präsentiert, dann aber schnell gechlachtet wurden. Diejenigen, die
zu den Grenzen von 1967 zurückzukehren trachten, sei es in Israel
oder im Ausland, machen sich den Triumph des Sechs-Tage-Krieges
zunutze für ihre Argumentation, nach der das Problem in der
„Besatzung“ liegt und der Verzicht Israels auf diese Gebiete den
ersehnten Frieden bringt.
Der gescheiterte Anschlag vom 31. Dezember 1964 erinnert uns
jedoch daran, dass der palästinensische Terror der Übernahme von
Judäa, Samaria und Gaza vorausging. Seitdem häufen sich die
zusätzlichen Beweise dafür, dass die palästinensische Führung ein
Ende des Konflikts auf Basis einer solchen Lösung verweigert. Mehr
als das – jüngste Äußerungen von Führern der israelisch-arabischen
Gemeinschaft bringen deren Weigerung zum Ausdruck, das Existenzrecht
des Staates Israel als unabhängiger jüdischer Staat
anzuerkennen.
Die Ereignisse der vergangenen Jahre – das Versagen der
Palästinenser bei der Einhaltung der Vereinbarungen und
Verpflichtungen des Osloer Rahmenwerks, die Lancierung eines
Terrorkrieges im September 2000 und die Situation in Gaza im Gefolge
der Abkoppelung - hätten als Gelegenheit dazu dienen können, das
„wahre Gesicht“ der palästinensischen Führung zu enthüllen und deren
Absicht, das irrelevante Konzept der „Zwei-Staaten-Lösung“ innerhalb
des historischen Landes Israel zu unterminieren. Den Diskurs der
„Zwei-Staaten-Lösung“ innerhalb der israelischen Öffentlichkeit und
der internationalen Arena zu einem Halt zu bringen, ist die
Voraussetzung für eine neue Denkbewegung in Bezug auf den Konflikts
und mögliche Wege, ihn zu lösen. Dafür bedarf es des klaren
Verständnisses des Problems in Israel, der Schaffung einer internen
Übereinstimmung in Bezug auf dieses Verständnis und der Bereitschaft
dafür zu kämpfen.
Der glänzende Sieg im Sechs-Tage-Krieg hat sich paradoxerweise
zum Ausgangpunkt einer „Rückzugsschlacht“ verwandelt, die wir heute
um die zionistische Narrative führen – bis wir eine Kehrtwende
machen.
Moshe Yaalon war von 2002 bis 2005 Generalstabschef der
Israelischen Verteidigungsstreitkräfte.
(Yedioth Ahronot, 30.05.07)
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