(1) Zum internen palästinensischen
Abkommen
Zwischen den Zeilen: Das Übereinkommen von Fatah und
Hamas kann den Anforderungen der internationalen Gemeinschaft nicht
genügen
(Jerusalem, 25. Februar 2007)
Das Übereinkommen, das zwischen Hamas und Fatah in Mekka
erzielt wurde, entspricht nicht den Anforderungen, die das Quartett
an eine künftige palästinensische Regierung gestellt hat. Ganz im
Gegenteil: Dieses Abkommen zeigt, genauso wie die Verlautbarungen
und die Taten der Hamas, dass diese weiterhin versucht,
internationale Anerkennung zu erreichen, ohne von ihrer
fundamentalistischen Ideologie, insbesondere dem Ziel der Zerstörung
Israels, abzuweichen.
Gerade wegen der klaren Aussagen der Hamas, die sich für Gewalt
sowie gegen eine Zwei-Staaten-Lösung und das Existenzrecht Israels
aussprachen als auch wegen der direkten Verwicklung der Hamas in den
Terrorismus sah sich die internationale Gemeinschaft gezwungen,
klare Bedingungen für eine zukünftige palästinensische Regierung
aufzustellen, die sie erfüllen muss, um internationale Anerkennung
und Zusammenarbeit zu erhalten. Die Beweislast liegt in diesem
Zusammenhang allein auf der Hamas, einer erklärtermaßen offen
terroristischen Organisation. Tatsächlich aber, wie weiter unten
noch en detail ausgeführt wird, lassen die Aussagen von
Hamas-Führern unmittelbar nach der Konferenz keinen Raum für Zweifel
daran, dass sich die Hamas in keiner Weise in Richtung der
Anerkennung dieser unerlässlichen Grundprinzipien für den Frieden
hin bewegt hat.
Das Nahost-Quartett hat die Forderung aufgestellt, dass jede
palästinensische Regierung drei Bedingungen verpflichtet sein muss
und dass kein Regierungsmitglied sich als nicht durch sie gebunden
betrachten darf. Die Teilnahme an einer Regierung, deren Politik
nicht diesen drei Grundprinzipien verpflichtet ist, kann sicher
nicht als Erfüllung der Forderungen des Quartetts betrachtet
werden.
Momentan gibt es weder eine Programmplattform, noch irgendein
verpflichtendes Dokument in Bezug auf die Arbeit der künftigen
Regierung. Der Ernennungsbrief des Präsidenten der Palästinensischen
Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, der Teil des Hamas-Fatah-Abkommens
ist, fordert den Hamas-Führer Ismail Haniyeh auf, eine Regierung zu
bilden, ohne dass der Brief aber selbst als politische Plattform der
zukünftigen Regierung gelten und ohne dass er als Erfüllung der
Forderungen des Nahost-Quartetts betrachtet werden kann.
Aber sogar wenn dieser Brief doch eine bindende Verpflichtung in
Bezug auf die Politik der künftigen Regierung beinhalten würde,
würde er immer noch nicht den drei fundamentalen Anforderungen, die
das Quartett wiederholt an die Palästinenser gestellt hat,
nachkommen. Diese sind - die Anerkennung des Existenzrechts
Israels, - die Beendigung von Terror und Gewalt, - die
Anerkennung aller früheren Übereinkommen und Verpflichtungen,
inklusive der Roadmap.
1. Die Anerkennung des Existenzrechts
Israels
Aus den Anforderungen des Quartetts geht klar hervor, dass es
keine Hoffnung auf eine Zwei-Staaten-Lösung geben kann, solange
nicht jede Seite das Recht der anderen anerkennt, in einem eigenen
Staat zu leben. Die Anerkennung des Existenzrechts Israels ist eine
unerlässliche Vorbedingung für jeden möglichen palästinensischen
Friedenspartner.
Der Ernennungsbrief der Hamas-Fatah-Regierung enthält keine
solche Anerkennung des Staates Israel. Das Wort "Israel" kommt in
dem Dokument nicht einmal vor. Sogar die von Israel mit der PLO
abgeschlossenen Vereinbarungen finden lediglich als "Abkommen, die
von der PLO unterzeichnet wurden", Erwähnung.
Die Tatsache, dass der Hamas ihre unversöhnliche Auffassung in
dieser Frage nicht im Geringsten geändert hat, wurde von Ismael
Haniyehs Berater Ahmed Youssuf nur wenige Tage nach dem Abschluss
des Abkommens unterstrichen:
"Die Frage der Anerkennung wurde in Mekka nicht angesprochen. In
der Plattform der neuen Regierung wird es kein Anzeichen der
Anerkennung (Israels) geben, völlig ungeachtet des Drucks, den die
USA und das Quartett auch ausüben." (Reuters, 10. Februar 2007)
In ähnlicher Weise äußerte sich der Hamas-Sprecher Ismail Radwan
und hob hervor, dass das Abkommen keine Änderung in der Weigerung
der Hamas, Israel anzuerkennen, darstelle:
"Das in Mekka unterzeichnete Abkommen bedeutet nicht die
Anerkennung des israelischen Gebildes ... Die Position der Hamas ist
unverrückbar und allseits bekannt: Keine Anerkennung der Legitimität
des zionistischen Gebildes ..." (Interview mit der französischen
Nachrichtenagentur am 9. Februar 2007)
2. Beendigung von Terror und Gewalt
Es kann niemals zwei Staaten geben, die in Frieden und Sicherheit
nebeneinander leben, solange eine Seite immer noch den Terrorismus
billigt. Aus diesem Grunde hat das Quartett wiederholt darauf
bestanden, dass jede palästinensische Regierung dem Terror und der
Gewalt abschwört.
Der Ernennungsbrief der Hamas-Fatah-Regierung lässt keine
Anstalten erkennen, dass man auf palästinensischer Seite dem Terror
und der Gewalt abschwöre. Ganz im Gegenteil: Der Brief ruft die neue
Regierung dazu auf, sich dem Dokument der nationalen Versöhnung
verpflichtet zu zeigen. Wir weisen daraufhin, dass dieses Dokument
expressis verbis den Einsatz von Gewalt und Terrorismus legitimiert,
indem es die Unterzeichner dazu aufruft, "den Widerstand ...
gemeinsam mit politischen Aktionen weiterzuführen" (Artikel 3) und
"eine führende Rolle im aktiven Widerstand gegen die Besatzung
einzunehmen" (Artikel 10). Derartige Appelle stehen natürlich im
eklatanten Widerspruch zu von den Palästinensern in früheren
Abkommen eingegangenen Verpflichtungen (einschließlich der Roadmap),
die unter anderem dazu aufrufen, "überall alle bewaffneten
Aktivitäten und alle Gewaltakte gegen Israelis unmittelbar
einzustellen."
Die Weigerung der Hamas, der Gewalt abzuschwören, wurde kürzlich
sehr deutlich von dem Repräsentanten der Organisation im Libanon,
Usama Hamdan, artikuliert:
"Jedermann weiß, dass eine der Bedingungen für die Anerkennungen
der Regierung und die Wiederaufnahme des Geldflusses die Beendigung
der Gewalt und des Widerstandes sein sollte. Wir aber sagten, dass
der Widerstand weitergehen werde und wir haben dementsprechende
Aktionen ausgeführt, wie z. B. die Gefangennahme des israelischen
Soldaten Shalit und auch andere Aktionen gegen die aggressive
Besatzung ... Der Hamas sieht den Widerstand immer noch als
strategische Option an und wird keinerlei Zugeständnisse machen, bis
– wenn es Allahs Wille ist – wir den Sieg in Palästina davontragen."
(Interview mit dem Radiosender Al-Manar am 14. Februar 2007)
Auch in der alltäglichen Praxis hat die Hamas keine Anzeichen
einer Bereitschaft, die Gewalt zu beenden, erkennen lassen. Die
Organisation hält weiterhin Gilad Shalit als Geisel fest, schmuggelt
illegale Waffen und Sprengstoff in die Territorien und glorifiziert
den Terrorismus und die Gewalt. Außerdem hat sie keinerlei Maßnahmen
ergriffen, um die palästinensischen Verpflichtungen zu erfüllen,
Gewaltakte anderer palästinensischer Gruppen wie zum Beispiel das
Abfeuern von Qassam-Raketen auf israelische Städte zu verhindern. Im
Gegensatz zu diesen eingegangenen Verpflichtungen haben Sprecher des
Hamas keinen Zweifel daran erkennen lassen, dass die Hamas solche
Überfälle unterstütze und auf keinen Fall die Absicht habe, diese zu
unterbinden.
3. Einhalten früherer Abkommen und Verpflichtungen,
einschließlich der Roadmap
Das Quartett hat wiederholt darauf bestanden, dass jede künftige
palästinensische Regierung dazu verpflichtet ist, frühere Abkommen
und Verpflichtungen – einschließlich der Roadmap -einzuhalten, die
die palästinensische Seite eingegangen ist. Diese Abkommen sind das
Ergebnis eingehender Verhandlungen und Kompromisse beider Seiten. Es
ist völlig wertlos, sich mit einem Partner, der frühere
Verpflichtungen nicht eingehalten hat, neue Abkommen zu
schließen.
Der Ernennungsbrief fordert die neue palästinensische Regierung
dazu auf, "von der PLO unterzeichnete Vereinbarungen zu
respektieren", was allerdings aus mehreren Gründen die vom Quartett
aufgestellten Forderungen bei weitem nicht erfüllt:
a.) Die so genannte Respektierung früherer Abkommen soll auf
den höherwertigen nationalen Interessen der Palästinenser gründen,
während andere Dokumente, wie das bereits erwähnte Dokument der
nationalen Versöhnung zum Terror aufruft und diesen legitimiert.
Eine Klausel, die die Einhaltung früherer Verpflichtungen von diesen
anderen Erwägungen abhängig macht, bedeutet nichts weiter als die
Bereitschaft zur allenfalls selektiven Respektierung derjenigen
Verträge, die den langfristigen, extremistischen Zielen der Hamas
nicht zuwiderlaufen.
Die Tatsache, dass die so genannte Respektierung früherer
Abkommen keinen praktischen Wert besitzt, wurde von Abu Leila, einem
Mitglied des Politischen Büros des Hamas, klar und deutlich
unterstrichen. Als er gefragt wurde, ob sich die Hamas dazu
verpflichtet habe, die früheren, von der PLO abgeschlossenen
Verträge zu respektieren, antwortete er:
"Nur insoweit diese nicht den höheren Interessen des
palästinensischen Volkes entgegenstehen! Dies ist wichtig. Als
Palästinenser können wir mit der Hilfe unserer arabischen Brüder
Verhandlungen führen und sagen: "Wo liegen nun die höheren
palästinensischen Interessen? Wenn wir zustimmen können, werden wir
uns auch gemäß dem jeweiligen Abkommen verhalten. Meiner Meinung
nach ging die Politik der früheren Regierung, die sich auf die
Einheit der Palästinenser gründete, in die richtige Richtung,
nämlich in die der höheren palästinensischen Interessen. Wenn wir
sehen, dass diese Interessen sich in den (von der PLO geschlossenen)
Verträgen wiederfinden lassen, werden wir uns auch daran halten.
Wenn unsere Interessen jedoch anderer Natur sind, müssen wir die
Verträge zerreißen und zum Jihad mit dem unterdrückerischen
zionistischen Feind zurückkehren." (Interview mit dem arabischen
Dienst der BBC am 16. Februar 2007)
b. Während der Begriff "Respektierung" eine gewisse Verpflichtung
in Bezug auf die Abkommen anzudeuten scheint, lässt die Weigerung
der Hamas, die Worte "akzeptieren" oder "einhalten" zu verwenden,
darauf schließen, dass dieser eine erheblich schwächere Art von
Verpflichtung im Sinne hat. Der stellvertretende Leiter des
politischen Büros der Hamas, Moussa Abu Marzouk, hat in den Tagen
nach dem Abschluss des Abkommens von Mekkas die Bedeutung dieser
begrifflichen Unterscheidung klar hervorgehoben:
"Es hat umfangreiche Diskussionen in Bezug auf die Worte
"einhalten" und "respektieren" gegeben, und es war allen klar, dass
der Hamas sich nicht als durch etwas gebunden betrachten kann, was
in den bisher von ihm vertretenen Positionen nicht enthalten ist ...
Die Tatsache, dass Abu Mazen in dem Ernennungsbrief das Wort
"respektieren" akzeptiert hat, hat einen erheblichen Beitrag zu dem
schließlich erzielten Durchbruch geleistet." (Interview auf der
Website des Hamas, 17. Februar 2007)
Der Unterschied zwischen den Termini "respektieren" und "sich
verpflichtet fühlen" ist umso auffälliger, als in eben jenem
Einladungsbrief die Wendung "sich verpflichtet fühlen" durchaus
vorkommt, allerdings im Zusammenhang mit der Verpflichtung der neuen
Regierung auf die "höheren Interessen" des palästinensischen Volkes
und andere Dokument, wie z.B. dem bereits erwähnten Dokument der
nationalen Versöhnung.
Außerdem muss man sich in Erinnerung zurückrufen, dass das
Quartett nicht nur die "Respektierung" von Verträgen eingefordert
hat, sondern auch die anderer Vereinbarungen "einschließlich der
Roadmap", da die Roadmap kein von den Parteien förmlich
unterzeichneter Vertrag ist. Die Unterlassung jeder Bezugnahme auf
die Roadmap lässt erhebliche Zweifel in Bezug auf die Tragweite des
Abkommens von Mekka aufkommen.
c.) Äußerungen von Hamas-Führern legen offen dar, dass die
Fundamentalopposition der Hamas zu den Abkommen zwischen Israel und
der PLO bestehen bleibt. Usama Hamdan, der Repräsentant der Hamas im
Libanon, hat diese kompromisslose Haltung noch einmal
bekräftigt:
"Alle bisherigen Abkommen mit der Besatzungsmacht waren
historische Fehler, da sie einerseits die Legitimität der Besatzung
und andererseits die Absage an die Weiterführung des Widerstandes
beinhalteten." (Interview mit dem Radiosender Al-Manar, 14. Februar
2007)
d.) Die tatsächliche Politik der Hamas strafen die
Auffassung, dieser sei bereit, sich an die zwischen Israel und der
PLO geschlossenen Verträge zu halten, auf ähnliche Art und Weise
Lügen: Diese Verträge enthalten Verpflichtungen, die die
palästinensische Seite unter anderem dazu auffordern:
- gegen alle Erscheinungsformen von Gewalt und Terrorismus
vorzugehen (siehe z.B. Interimsabkommen, Annex I, Artikel 2; Wye
River Memorandum, § A, Roadmap, Phase I);
- Einzelpersonen und Gruppen daran zu hindern, Gewaltakte gegen
Israelis wo auch immer zu planen und zu verüben (siehe z.B. Roadmap,
Phase I);
- alle illegalen Waffen und Munitionsvorräte zu konfiszieren
(Memorandum von Sharm el-Sheikh, § 8; Roadmap, Phase I);
- international akzeptierte Verhaltensnormen und die Prinzipien
der Menschenrechte zu respektieren (Interimsabkommen, Artikel
XIX);
- das gegenseitige Verständnis zu fördern, die Hetze einzustellen
und zu garantieren, dass das palästinensische Bildungssystem zum
friedlichen Miteinander des israelischen und des palästinensischen
Volkes beiträgt (siehe Interimsabkommen, Artikel XXII).
Jede Auffassung, dass die Hamas diese Abkommen respektiert, steht
in eklatantem Widerspruch mit ihrer Fortführung des
Waffenschmuggels, Glorifizierung von Gewalt und Terror,
widerwärtigen Hetze gegen Israel und ihrer fortwährenden Verletzung
der grundlegenden Menschenrechte derjenigen Palästinenser, die sie
behauptet zu vertreten.
Im Ganzen gesehen, deutet das vorliegende Beweismaterial darauf
hin, dass sich die Hamas weder in der Theorie, noch in der Praxis
geändert hat, was nötig wäre, bevor man sagen könnte, sie genüge den
vom Nahost-Quartett niedergelegten Forderungen der internationalen
Gemeinschaft oder fühle sich der politischen Plattform einer
palästinensischen Regierung verpflichtet, die diesen Prinzipien
nachkommt.. Ganz im Gegenteil: Die offene Ablehnung dieser
internationalen Forderungen seitens der Hamas wurde klar und
deutlich von Khalil Abu Leila, einem Mitglied des politischen Büros
der Hamas, nur Tage nach Abschluss des Abkommens von Mekka
artikuliert:
"Ich glaube, dass Mekka ein Erfolg war, denn das beabsichtigte
Ziel wurde erreicht. Soweit es jedoch die Prinzipien der Hamas
angeht, wird diese ihre Positionen weiterhin an den höheren
palästinensischen Interessen orientieren. Die Hamas wird weiterhin
nicht den Bedingungen des Quartetts zustimmen und gehorchen oder
sich diesen unterwerfen." (Interview mit dem arabischen Dienst der
BBC, 16. Februar 2007)
Die vom Quartett festgelegten Bedingungen, die die Hamas
weiterhin ablehnt, stellen kein Hindernis für den Frieden dar,
sondern eine Art Lackmustest, mit dessen Hilfe die internationale
Gemeinschaft feststellen kann, ob eine beliebige palästinensische
Regierung in der Lage ist, ein zuverlässiger Partner auf dem Weg zum
Frieden zu sein. Als solcher sind sie nicht verhandelbar und können
nicht durch vage Formulierungen oder auf Wunschdenken basierende
Interpretationen als erfüllt gelten.
Würde eine palästinensische Regierung, die sich weigert, diese
für den Frieden grundlegenden Bedingungen zu erfüllen,
internationale Legitimität und Unterstützung erhalten, wäre dies ein
schwerwiegender Rückschlag für die Aussichten auf Frieden und ein
Verrat an den wirklich Gemäßigten auf beiden Seiten, die voll und
ganz an eine Zwei-Staaten-Lösung zur Beendigung des Konflikts
glauben und diese Wirklichkeit werden lassen wollen.
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