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Rheinpfalz-Interview zur Mugrabi-Brücke, 16.2.07
„Wir sollen offenbar verschwinden“ Worum es aus
israelischer Sicht beim Streit um den Tempelberg geht
Die Rheinpfalz – Nr. 40 Freitag, 16. Februar
2007
Seit Anfang vergangener Woche machen Bauarbeiten am Jerusalemer
Tempelberg Schlagzeilen. Um einen festen Zugang zum Mugrabi-Tor
unterhalb der Al-Aksa-Moschee wieder herzustellen, wurden Arbeiten
an einer Rampe aufgenommen. Begleitend laufen archäologische
Ausgrabungen, um zu verhindern, dass Kunstschätze durch die
Rampenarbeiten zerstört werden. Die israelischen Bauarbeiten haben
zu muslimischen Protesten geführt: Die Fundamente der
Al-Aksa-Moschee seien gefährdet.
Hannes Barth sprach mit Aviv Shir-On, stellvertretender
Generaldirektor für Medien und Öffentlichkeitsarbeit im Jerusalemer
Außenministerium, sowie mit Mordechay Lewy, Berater des Jerusalemer
Oberbürgermeisters in interreligiösen Angelegenheiten.
Rheinpfalz: Gibt es irgendeine Gefährdung der muslimischen
Heiligtümer auf dem Tempelberg?
Shir-On: Unglücklicherweise werden von Fundamentalisten und
Extremisten völlig unwahre Behauptungen aufgestellt, dass Israel
oder die Juden die Al-Aksa-Moschee zerstören oder dort eine Synagoge
bauen wollen. Dabei soll nur der Zugang zum Mugrabi-Tor, der im
Winter 2004 durch starken Regen und ein Erdbeben beschädigt wurde,
erneuert werden. Es ist doch Israels Pflicht, dort für die
Sicherheit der Touristen und Pilger zu sorgen – nicht mehr und nicht
weniger.
Lewy: Der Tempelplatz oder Haram al Scharif wird durch den
geplanten neuen Zugang, die Brücke, nicht angetastet, und daher kann
auch nicht das Heilige Gelände gefährdet werden.
Rheinpfalz: Warum dann aber der aufgeheizte Protest nicht nur der
arabischen Muslime, sondern der islamischen Welt?
Lewy: Es geht eigentlich nicht so sehr um die Heiligen Stätten,
sondern vielmehr darum, ob Israel überhaupt Souveränitätsrechte im
seit 1967 vereinten Jerusalem genießen darf. Nach Ansicht der
Muslime dürfen daher Juden und Israelis dort nichts tun, auch nichts
reparieren. In ihren Augen sollen wir offenbar irgendwie
verschwinden. Doch auch einige israelische Politiker, wie
Verteidigungsminister Amir Peretz, meinten, die Arbeiten nahe des
Tempelberges könnten die regionale Stabilität gefährden.
Shir-On: In dieser Diskussion geht es darum, wie die Spannungen
abgebaut werden können. Was wir tun sollen, um den falschen
Behauptungen radikaler und fundamentalistischer Muslime entgegen zu
wirken. Unsere Diskussion ist ganz sachlich. In der islamischen Welt
wird allerdings versucht, sie ins Gegenteil zu verdrehen. Wir haben
vor Ort Kameras installiert, die im Internet 24 Stunden zeigen, was
dort passiert. Und Jerusalems Bürgermeister hat die Arbeiten für den
Zugang zum Mugrabi-Tor in Absprache mit Rabbinern und muslimischen
Geistlichen bis zu Klärung der Angelegenheit vorerst gestoppt.
Rheinpfalz: Das Jerusalem-Problem gilt als schwierigster
Streitpunkt im Nahost-Konflikt. Sehen Sie da einen Ausweg, eine
Möglichkeit für einen Kompromiss?
Shir-On: Das Problem ist doppelgleisig. Es zeigt einerseits
religiösen Fanatismus und anti-israelische Hetze sowie andererseits
den Versuch, den Juden die legitimen Rechte in Jerusalem zu leugnen
und zu bestreiten. Es geht hier um die Souveränität über Jerusalem.
Nachdem die religiösen Behauptungen arabischer Extremisten
allenthalben als falsch zurückgewiesen werden, konzentrieren sie
sich nun vermehrt darauf, Israel die Legitimität in Jerusalem
abzusprechen. Selbst so genannte arabische Wissenschaftler oder
Imame leugnen heute historisch belegte Fakten jüdischer
Vergangenheit in Jerusalem. Übrigens: Als Jesus in Jerusalem
auftrat, hat er keine Kirchen oder Moscheen gesehen, weil diese noch
nicht existierten, aber Jerusalem war schon damals die Hauptstadt
des jüdischen Volkes, und das ist sie auch heute. Wir leugnen
indessen nicht die Tatsache, dass Jerusalem heute auch anderen
Religionen heilig ist.
Hintergrund: Beginn der zweiten
Intifada Ende September 2000
„Whoever thinks that the intifada broke out because of Sharons
visit, is wrong...” (Kommunikationsminister der PA, März 2001)
Behauptung: "Am 28. September 2000 begann der
Palästinenseraufstand (Al-Aqsa-Intifada), der durch den Besuch des
heutigen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon auf dem
Jerusalemer Tempelberg ausgelöst wurde."
Diese und ähnliche Sätze finden Sie heute in vielen Zeitungen.
Sie enthalten einen groben Fehler.
Tatsache: Dagegen gab der
Kommunikationsminister der Palästinensische Autonomiebehörde Imad
al-Faluji zu, dass die Vorbereitungen zur zweiten Intifada dem
Besuch Sharons vorausgingen: Sie waren "seit der Rückkehr des
Vorsitzenden Arafat aus Camp David geplant, als dieser in den
Gesprächen mit dem damaligen amerikanischen Präsidenten den Spieß
umdrehte und die Bedingungen der Amerikaner ablehnte":
“Whoever thinks that the intifada broke out because of the
despised Sharons visit to the al-Aqsa Mosque, is wrong... This
intifada was planned in advance, ever since President Arafats return
from the Camp David negotiations, where he turned the table upsite
down on President Clinton", sagte Imad al-Faluji, der ehemalige
Kommunikationsminister der PA, im März 2001 bei einem Besuch im
Libanon. (Jerusalem Post, 4. März 2001)
Khaled Abu Toameh schrieb in der Jerusalem Post am
20.9.2002: "The PA had begun to prepare for the outbreak of
the current Intifada since the return from the Camp David
negotiations, by request of President Yasser Arafat, who predicted
the outbreak of the Intifada as a complementary stage to the
Palestinian steadfastness in the negotiations, and not as a specific
protest against Sharons visit to Al-Haram Al Qudsi [Temple Mount] …
The PA instructed the political forces and factions to run all
materials of the Intifada".]
Diese Annahme findet auch eine klare Bestätigung im Ergebnis des
von vom US Senat gestifteten "Mitchell Commission": "The Sharon
visit did not cause the Al-Aksa Intifada" Fazit des
Mitchell-Reports, 4. Mai 2001.
Auch muss beachtet werden, dass der Besuch Sharons am 28.
September 2000 mit der Palästinensischen Autonomiebehörde im Voraus
verhandelt worden war:
Der israelische Minister für Innere Sicherheit Shlomo Ben-Ami
hatte Sharon gestattet, den Tempelberg zu besuchen. Der Tempelberg
ist die heiligste Stätte des Judentums. Zuvor hatte er mit dem
palästinensischen Sicherheitschef Jabril Rajoub Rücksprache genommen
und die Zusicherung erhalten, dass alles ruhig bleiben würde, wenn
Sharon die Moscheen nicht beträte. Sharon machte keinerlei Versuch,
eine Moschee zu betreten. Der Besuch dauerte 34 Minuten. Er erfolgte
während der Tagesstunden, in denen die Stätte auch für Touristen
geöffnet ist. Erst als Rajoub später erklärte, dass die
palästinensische Polizei nichts unternehmen würde, um gewalttätige
Ausschreitungen während des Besuchs zu unterbinden, entstand die
Notwendigkeit, Sharon zu schützen.
Die in den Medien beliebte Darstellung ist eine Wiederholung der
einseitigen arabischen Darstellung der Ereignisse. Sie schiebt
Israel die Verantwortung für die Intifada und für den Tod Tausender
Israelis und Palästinenser zu.
Weiter: http://berlin.mfa.gov.il/mfm/web/main/document.asp?DocumentID=52635&MissionID=88
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