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(7) „Die
emotionale Last ist schwer, doch Aids ist schwerer“
Johnny Jerushalayim, Aids-Kranker, ist an den Einrichtungen für
Aids-Kranke verzweifelt und hat deshalb eine Internetseite zur
Unterstützung von Aids-Kranken errichtet. In Hinblick auf den
Internationalen Aids-Tag erzählt er über die Mission, die er sich
selbst auferlegt hat.
Ein ganzes Jahr hat Johnny Jerushalayim (fiktiver Name) versucht,
einen Weg zu finden, um mit der Tatsache fertig zu werden, dass er
Aids hat, bis er entschied, das persönliche Problem in andere
Richtungen zu leiten. Er gründete eine Interesseninternetseite, die
einen passenden Namen mit doppelter Bedeutung trägt: „mit Aids
leben“.
Es gibt Tage, an denen sich Johnny zwei bis drei Stunden am Tag
mit persönlichen Geschichten von Nutzern seiner Seite beschäftigt,
mit Liedern, die er schreibt und mit nicht endenden
Telefongesprächen mit Menschen, die entdeckt haben, dass sie zum
Teil der Statistik geworden sind und eine positive Antwort bekommen
haben und das nicht im optimistischen Sinne: ab jetzt haben sie
Aids.
„Das Mobiltelefon der Seite rufen die Menschen ununterbrochen
an“, so erzählt er gegenüber der israelischen Tageszeitung Maariv in
einem Interview anlässlich des heutigen Internationalen Aids-Tages.
Johnny zählt mehr als eine Million Besucher seiner Seite von Nutzern
aus mehr als 200 Staaten im Jahr. „Erst vor einer Stunde rief ein
orthodoxer Jude an, der mit jemandem sprechen wollte. Sie rufen
sieben Tage in der Woche an. Ich verweigere niemandem die
Unterstützung. Nicht zu antworten, so etwas gibt es nicht. Auch am
Feiertag und am Wochenende. Vor drei Wochen rief auch ein Jude aus
England an, um Unterstützung zu bekommen“, so erinnerte er sich an
einen der vielen Anrufe, die er erhält.
Das Wort „Mission“ ist ihm nicht fremd. Es ist genau das, was er
auf sich genommen hat, als er die Seite privat eingerichtet hat,
ohne finanzielle Hilfe. Er hat sich selbst und den Nutzern gegenüber
verpflichtet, dass er ihnen immer, wenn sie Unterstützung brauchen,
zur Seite steht. „Die emotionale Last wiegt manchmal schwer auf
mir“, gibt er zu. „Aber ich kann das nicht stoppen.“
Vor einigen Wochen, so erzählt er, wandte sich mitten in der
Nacht ein Aids-Kranker an ihn und schrieb ihm im Messenger, dass er
am Morgen einen Polizisten oder einen Arzt des Ichilov-Krankenhauses
ermorden werde, oder den Generaldirektor der Kommission zur
Aids-Bekämpfung. „`Ich habe eine Pistole`, sagte er mir. Was sollte
ich damit tun? Einerseits soll er anonym bleiben, aber man kann
davor nicht die Augen verschließen. Ich habe mich an die Polizei
gewandt. Massen von Polizisten suchten ihn und am nächsten Tag wurde
er verhaftet. Sie nahmen ihm die Pistole weg, ließen ihn aber frei
und boten ihm Hilfe an. Diese Nacht hat mich fertig gemacht. Bis
vier Uhr am Morgen war ich mit der Polizei zusammen und sprach mit
ihm am Telefon und am Morgen war ich total fertig.“
„Gefühl der Befriedigung“
Warum macht er trotzdem weiter? „Ein Gefühl der Befriedigung“, so
antwortet er spontan. „Die Kranken bleiben oft alleine. Wenn jemand
erfahren hat, dass er HIV positiv ist, braucht er eine
Umarmung.“
Nicht nur die emotionale Last liegt auf Johnny. Eine weitere
Herausforderung ist für ihn die Festlegung emotionaler Grenzen
gegenüber den vielen Geschichten, die ihn erreichen. „Es gibt
Menschen, mit denen ich eine Verbindung aufgebaut habe, aber ich
versuche, mich nicht zu sehr hinein zu vertiefen“, so erklärt er.
„Ich helfe, aber trenne mich dann davon, damit sie in ihr Leben
zurückkehren. Ich hoffe, dass sie das Beste daraus ziehen und
ihr Leben weiterführen, ich will keine tiefe Freundschaft mit ihnen.
Ihnen am Anfang Energie geben. Das ist etwas, was ich nicht
hatte.“
Die Mission, so zeigt sich, liegt auch in seiner Kritik der
fehlenden Unterstützung durch die Gesellschaft. „Ein Teil meiner
Heilung ist das Tun“, so Johnny. „Wenn du etwas tust, gibst du ihnen
die Energien, obwohl das dir auch etwas nimmt“. Er weigert sich
genauer über die Kommission zur Aids-Bekämpfung zu sprechen, erzählt
aber, dass sie dort eine offene Leitung haben, die jedoch nur 2
Stunden täglich besetzt ist.
Aids-Tag? Eine Art Auszeit
Ausgerechnet am Aids-Tag will sich Johnny selbst einen Ruhetag
gönnen. „Das ist eine Auszeit von einem Tag, mit einer idiotischen,
aber sehr echten Erklärung“, so seine Begründung. „Bei mir ist jeder
Tag im Jahr Aids-Tag. Und jetzt hört man plötzlich die Kommission
und das Gesundheitsministerium, in all den Fernseh- und
Radioprogrammen und dann verschwinden sie wieder. Ich gehe alleine
vor, ich habe nicht die Kraft zu schreien. An diesem offiziellen Tag
gibt es solche, die unterstützen und Lärm machen und alle hören sie,
obwohl sie normalerweise unsichtbar scheinen. Am Tag danach gehen
alle in ihre Bunker zurück. Nur an diesem Tag kann ich
ausruhen.“
Aber Johnny behauptet nur, dass er ausruht. Eigentlich nutzt er
auch dieses Gespräch, um eine Botschaft mit Hilfe der Geschichten,
die auf dieser Seite veröffentlicht werden, weiterzugeben. „Es ist
wichtig, dass sie gehört werden“, so betont er und erzählt auch von
den Liedern, der er geschrieben, komponiert und produziert hat, um
das Gehör von noch mehr Menschen zu erreichen, die manchmal für
Gefahren taub sind.
„Es ist möglich, die Geschichte, die ich über Optimismus
geschrieben habe, zu veröffentlichen“, so schlägt er vor. „Oder die
Geschichte eines der Nutzers, der den Moment bedauert er, als er
sich von einem Freund, der an Aids erkrankt war, abwendete, bis er
…“ und er nennt mehr und mehr Beispiele. „Die Geschichten-Rubrik
meiner Seite ist ein Hit“, erzählt er. „Das zeigt den Menschen, dass
man mit Aids leben kann, gut damit leben kann. Andererseits will
ich, dass sie sehen, dass nicht alles nur Gold ist. Es gibt auch
traurige Geschichten.“
Johnny ist das genaue Gegenteil von einem kranken und schwachen
Menschen. Er ruht nicht einen Moment, überlegt, wie er die Seite
noch verbessern kann, die einen unterstützenden Arm für die Gemeinde
der Aids-Kranken darstellen soll. Aktuell ist eine Seite zum
gegenseitigen Kennen lernen, die in ca. zwei Monaten „mit dem Ziel,
dass Menschen die Möglichkeit bekommen, Partner, Liebe, Freunde zu
finden“ starten wird, erklärt Johnny. „Und nein. Ich werde nicht
aufhören.“ (Nrg Maariv, 01.12.) Die Website, die es
auch auf Englisch, Arabisch, Spanisch und Russisch gibt, finden
Sie unter: http://www.israelpositive.com/
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