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(5) Die
Geldrouten der Hisbollah: von der Elfenbeinküste bis
Paraguay
Die Finanzzentren der Hisbollah
„Bevor ich den Libanon verließ, sagten sie mir, dass in Afrika
alles möglich ist. Sie haben mir erzählt, dass die afrikanischen
Frauen über die Weißen herfallen, als ob der weiße Mann eine
klebrige Stange ist, mit der man Vögel fängt. Auch meine Mutter hat
anscheinend die gleichen Gerüchte gehört. Als sie meinen Koffer
packte, sagte sie mir unaufhörlich „sei vorsichtig Majed, pass bloß
auf, mein geliebter Sohn. Alles, aber nicht die schwarzen Frauen.
Hüte dich vor ihnen, wie vor einer Epidemie.“
Dieser Wegessegen, den der Libanese Majed erhielt, einer der
Helden des Buches „Story of Zahara“ von der libanesischen Autorin
Hanan al-Sheikh (2004 auf Hebräisch im Verlag „Andalus“ erschienen,
Andalus Books, translated into Hebrew by Mohammed Ghanem) ist keine
Erfindung. Afrika, genauer gesagt Westafrika, ist eine der wichtigen
Exilregionen, in die die Libanesen gekommen sind und Erfolg hatten.
Sierra Leone, Senegal und besonders die Elfenbeinküste dienten und
dienen noch immer als „wirtschaftliches Hinterland“, nicht nur des
Bankwesens und der libanesischen Handelsgemeinde, sondern auch für
die Amal-Miliz und die Hisbollah.
Libanesische Shiloh-Ranch
Die libanesische Verbindung zu Afrika begann am Ende des 19.
Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Tausende
Libanesen den Südlibanon wegen des landwirtschaftlichen und
wirtschaftlichen Misserfolgs in Folge des Untergangs des
ottomanischen Imperiums verließen. Die meisten Auswanderer waren
Schiiten, die sich zu Beginn auch in Afrika mit der Landwirtschaft
beschäftigten, doch nach kurzer Zeit beherrschten sie den
Einzelhandel in der Elfenbeinküste und Sierra Leone und zu den
„Shilohs von Afrika“ wurden. Die „Reis-Aufstände“ von 1919 in Sierra
Leone zum Beispiel waren gegen die libanesischen Händler gerichtet,
die die Preise erhöhten. Aber das große Bonanza begann in den 30er
Jahren, als der industrielle Diamantenbergbau im Land begann und die
Libanesen waren die ersten, die im großen Stil in den Zweig
einstiegen.
Den größten Gewinn machten die libanesischen Diamantenhändler im
illegalen Handel, bevor die Verträge und Vereinbarungen, die diesen
Handel regelten, Gültigkeit erhielten. Als 1974 die schiitische
Bewegung der Amal von Imam Mussa Al-Sadar gegründet wurde, konnte
sie so bereits auf das wirtschaftliche Polster, das ihr die
Diamantengemeinde von Sierra Leone bat, bauen.
Dies ist auch die Gemeinde, in der 1938 Nabih Berri geboren
wurde, der heutige Leiter der Amal-Bewegung und libanesischer
Parlamentspräsident. Zu seinen engen Freunden zählte seinerzeit
Jamal Al-Ziad Muhamad, der in den 70er Jahren vom Präsidenten Sierra
Leones, Siaka Stevens, zum Vorsitzenden über die Diamanten-, Gold-
und Fischerei-Behörden ernannt wurde, die drei wichtigsten
Einkommensquellen des Staates. Damals gingen auch große Geldsummen
mit Hilfe des Diamantenhandels an die Amal, bis Stevens seine
Amtszeit 1985 beendete und Joseph Momo an seine Stelle trat. Momo
warf Jamal Al-Ziad aus dem Amt, und dieser ging in den Libanon. Dank
seiner Kontakte zu Berri erhielt er einen libanesischen Pass. Berri
erhielt weiterhin finanzielle Hilfe für seine Organisation aus der
mobilen Kasse von Ziad.
In der Zwischenzeit entschied Momo in Sierra Leone, israelischen
Diamantenhändlern zu ermöglichen, im Staat zu agieren, und damit zu
versuchen, den Einfluss der Libanesen zu neutralisieren, die dem
Zweig einen schlechten Ruf eingebracht hatten. Im Bürgerkrieg, der
1991 ausbrach, verließen zahlreiche Libanesen das Land. Von ca.
30.000 blieben noch 6.000. Doch diese kleine Gemeinde war bereits
mehr an die Hisbollah verbunden, nachdem die alten schiitischen
Familien, die die Amal unterstützt hatten, gegangen waren und die
meisten Geschäfte den neuen libanesischen Einwanderern überließen,
oder einer kleinen Gruppe von Familien, die die Geschäfte der Alten
bekamen.
Die westlichen Nachrichtendienste interessierten sich nicht
besonders für die afrikanischen Kontakte der Hisbollah. Und im
Grunde gibt es bis heute keine genauen Angaben darüber, wie viel
Geld die Organisation bei den Diamantengeschäften gemacht hat. Erst
nach den Al-Qaida-Anschlägen vom 11. September 2001, als die
US-Nachrichtendienste begannen, die Geldrouten der
Terrororganisationen zu überprüfen, stand auch die afrikanische
Diamantenroute in der Schusslinie.
Man kam unter anderem zu der Erkenntnisse, dass die Leute der
Hisbollah, wie auch der Al Qaida, dazu neigen, illegale Diamanten
für wesentlich geringere Preise zu kaufen. Mit dem Unterschied, dass
die Al Qaida Diamanten als Kapital kauft, die Hisbollah kauft
Diamanten zum Handel. So zum Beispiel kauft die Hisbollah Diamanten
in Sierra Leone und verkauft sie auf dem Beduinenmarkt und im
indischen Mumbai. 2003 stürzte ein Flugzeug der afrikanischen
Fluggesellschaft UTA über der Küste von Benin ab. In dem Flugzeug
wurden Kuriere der Hisbollah gefunden, die zwei Millionen Dollar bei
sich hatten. Es gibt keine Angaben darüber, wie viele solcher
Kuriere auf dieser Route unterwegs waren und wie viel Geld sie
überbrachten. Man geht davon aus, dass es sich um mehrere
Zehnmillionen Dollar jährlich handelte, fast wie die Summen, die die
Hisbollah vom Iran erhalten hat.
Das wilde Dreieck
Am anderen Ende der Welt, im Dreiländereck Brasilien, Paraguay
und Argentinien befindet sich ein weiteres Finanzzentrum der
Hisbollah und anderer Terrororganisationen. In der Stadt Ciudad del
Este in Paraguay wohnen ca. 30.000 Libanesen bzw. Menschen mit
libanesischer Herkunft. Auch hier blühen die illegalen Aktivitäten
fast völlig unbehindert. Private Flugplätze und Wasserrouten haben
die Region zum bevorzugten Spielplatz für jeden gemacht, der
illegales Geld machen wollte. Bis zum 11. September 2001, denn dann
übten die USA Druck auf diese Staaten aus, die Aufsicht über das,
was in diesem Dreieck geschieht, auszuweiten.
Der Korrespondent des Magazins New Yorker Jeffrey Goldberg
erzählte in einem Artikel, der im Oktober 2002 in Folge eines
Besuchs in Ciudad del Este erschien, dass er in der Stadt
Hörkassetten mit Reden Nasrallahs gekauft hatte und dass ein Mann
ihm anbot, eine Kalaschnikow für 370 Dollar zu kaufen und ihn für
noch etwas mehr Geld nach Brasilien zu schmuggeln. Goldberg
berichtet, dass er von Sicherheitsstellen in Paraguay erfahren habe,
dass es in diesem Dreieck Trainingslager für Hisbollah-Kämpfer gibt,
was jedoch vom amerikanischen Außenministerium nicht offiziell
bestätigt wurde.
Was bewiesen wurde, sind die wirtschaftlichen Aktivitäten des
Libanesen Ali Khalil Mahari, der Großhandelsverkauf von gefälschten
Programmen betrieb. Ein großer Teil seiner Einnahmen ging an die
Hisbollah. Ein anderer Geschäftsmann, Asad Ahmad Barakat, Inhaber
eines großen Einkaufszentrums der Stadt, wurde verdächtigt, große
Spendensummen für die Hisbollah gesammelt zu haben, seitdem er 1985
nach Paraguay gekommen war. Bei einer Durchsuchung des
Elektronikladens von Barakat wurden Nasrallah-Aufnahmen und
Dokumente gefunden, die bezeugten, dass er der Organisation mehrmals
Summen von 25.000 bis 50.000 Dollar überwiesen hatte. Unter den
Dokumenten, die bei Barakat gefunden wurden, befand sich auch ein
Dankesschreiben für die großen Spenden Barakats an die
Organisation.
Barakat floh aus Paraguay und kam anscheinend nach Syrien. Der
Staatsanwalt für Drogendelikte in Paraguay geht davon aus, dass
Barakat zwischen 1995 bis 2002 ca. 50 Millionen Dollar überwiesen
hat. Auch hier fehlen Angaben über den Umfang der Finanzierung von
weiteren Spendern und Rekrutierten. Ausländische Zeitungen, die
Informationen vor Ort sammelten, erzählen über starken Druck auf
libanesische Geschäftsleute, Geld zu spenden und an die Organisation
zu übergeben.
Dieses wirtschaftliche Hinterland im Ausland dient auch als
operatives Hinterland für alle Aktionen, die die Organisation gegen
Israel oder jüdische Zentren umsetzen will. Ein libanesischer
Journalist, der selbst einen Teil der Finanzquellen der Hisbollah
überprüft hat, erklärte seine Überzeugung so: „Jede libanesische
Organisation im Exil ein Hinterland hat. Amal stützt sich auf die
Gemeinde in Südamerika, die Hisbollah auf Afrika und Südamerika,
andere schiitische Organisationen und auch Drusen genießen die
Unterstützung ihrer Söhne in Nordamerika und die libanesische
Regierung auf alle Auswanderer. Denn auch ihr Juden habt ein Exil,
das euch finanziert, was ist also der Unterschied?“
Wirtschaftsimperium
Das Wirtschaftsimperium der Hisbollah im Libanon umfasst eine
riesige Bau- und Infrastrukturfirma, die im ganzen Land gebaut hat
und Wasser- und Stromleitungen in den Dörfern im Süden gelegt hat.
Sie beschäftigt sich mit der Verpachtung von Böden und der Vergabe
von Landwirtschaftskredite. Zusätzlich unterhält die Hisbollah
Krankenhäuser und Schulen, ist Teilhaber der Flughafenbehörden und
der libanesischen Fluggesellschaft und stellt Reisedokumente für
Bewohner des Südlibanon aus. Man geht davon aus, dass die Hisbollah
mehr als 200.000 Menschen im Libanon mit Dienstleistungen versorgt.
(The Marker
online, 2.8.)
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