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(2) Botschafter
Shimon Stein im Deutschlandfunk, 23.7.06
Stein: Keine Verhandlungen über Waffenstillstand oder
Gefangenenaustausch Botschafter verteidigt israelische
Militäraktion im Libanon Moderation: Dieter Jepsen-Föge,
23.07.2006 • 11:05 Uhr: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/522934/
Konsequenzen aus dem Rückzug Israels
Als wir uns im Mai 2000 aus dem Libanon zurückgezogen haben, Sie
werden sich auch erinnern, damals waren die Vorbereitungen für die
Camp-David-Gespräche zwischen US-Präsident Clinton, Jassir Arafat
und dem Ministerpräsidenten Barak gewesen, und manche haben gesagt:
Für Arafat gilt das Modell des einseitigen Rückzugs aus dem Libanon,
was am Ende auch zu einer gewissen Komplizierung unserer Gespräche
mit Arafat und Clinton in Camp David geführt hat. Ja, Rückzüge
werden von unseren Nachbarn, von unseren Feinden, als Schwäche
angesehen und nie belohnt.
Daraus muss die Konsequenz gezogen werden, Israel muss sich ganz
genau überlegen, wie Israel seine nationalen Interessen weiter
fortsetzt. Das ist ja eben nicht so bedeutend, dass wir auch in der
Zukunft unter Umständen uns nicht gezwungen sehen, auch uns weiter
bedingungslos oder einseitig zurückziehen. Sie werden sich auch
erinnern, dass der Ministerpräsident Sharon und sein Nachfolger,
Ministerpräsident Ehud Olmert angekündigt haben, dass Israel, wenn
es keinen Partner gibt, sich weiter aus Teilen der Westbank
zurückziehen, um - und das ist für uns das allerwichtigste am Ende -
unsere nationalen Ziele zu verfolgen. Und das ist, den jüdischen und
demokratischen Charakter des Staates Israel aufrecht zu
erhalten.
Stellvertreterkrieg: Unterstützung von Iran und
Syrien
Es gibt die lokale Ebene, und das, was sich zwischen Israel und
dem Libanon - Stellvertreter Nasrallah - und auch zwischen Israel
und der Hamas geschieht, das sind lokale Auseinandersetzungen. Aber
diese lokalen Auseinandersetzungen haben auch eine regionale
Dimension. Wir sind fest davon überzeugt, dass weder Hamas noch die
Hisbollah eine Chance gehabt hätten, so zu agieren, wenn sie nicht
mit der vollen Unterstützung vom Iran und Syrien hätten rechnen
können.
Ich glaube, der Iran verfolgt hier eine langfristige Strategie.
Was die momentane Lage angeht, so wissen alle, dass der Iran
momentan etwas Angst eben hat, dass die internationale
Staatengemeinschaft weiter Druck auf den Iran wegen der nuklearen
Frage ausüben wird. Und wie wir ja wissen, tagen die sechs Nationen
und machen sich Gedanken im Hinblick auf die Tatsache, dass der Iran
auf das Angebot der sechs Nationen nicht eingegangen ist.
Und als die G8-Staaten in Sankt Petersburg zusammengekommen sind,
um unter anderem als Schwerpunkt sich mit der Nuklearfrage im Iran
zu befassen, könnte die Entführung der Soldaten auch als eine
Ablenkung gesehen werden. Und ob es Zufall ist oder nicht:
Laridschani, der Unterhändler des Iran in Sachen Nuklear, war kurz
vor der Entführung auch in Damaskus. Das gibt Anlass zur Annahme,
dass er auch unter anderem mit Syrien darüber gesprochen hat. Und
die Hisbollah ist für den Iran ein Instrument, um die iranischen
strategischen Ziele im Nahen Osten eigentlich zu vertreten.
Iran und Syrien haben Interesse an Ausweitung des
Konflikts
Wenn man die Außenpolitik des Iran betrachtet, dann sind wir fest
davon überzeugt, und das sind eigentlich nicht nur wir - wir haben
momentan noch nicht über das gemäßigte Arabische Lager gesprochen,
das auch mit großer Besorgnis die iranische expansionistische
abenteuerliche Außenpolitik verfolgt, genau so wie die arabischen
gemäßigten Staaten auch mit großer Sorge die Hisbollah-Aktivitäten
und die Hamas verfolgen. Das grundsätzliche iranische Interesse ist,
dass es nicht zu einer Stabilisierung im Nahen Osten kommt. Ich
glaube, man muss - und das haben wir schon gesagt - die Erklärungen
des iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad so nehmen, wie sie
eigentlich sind. Und sein strategisches Ziel, das eigentlich über
Israel hinausgeht, aber zunächst, was Israel anbelangt, ist, Israel
auf der Landkarte zu tilgen. Und daran arbeitet der Iran auch mit
den Stellvertretern, das ist die Terrororganisation Hisbollah und
auch die Hamas.
Proportionalität der Verteidigungsmaßnahmen
Unserer Auffassung nach ist das, was wir tun, verhältnismäßig und
auch im Einklang mit unserer Analyse, vor welcher Bedrohung Israel
steht. Deshalb muss die Verhältnismäßigkeit, was Israel anbelangt,
in einem großen Kontext gesehen werden. Die Verhältnismäßigkeit
hängt ja eben für uns nicht von einer Einzelaktion, sondern von der
Analyse der Bedrohung, vor der wir stehen, beziehungsweise nicht nur
der Bedrohung, sondern wir stehen vor einer Terrororganisation, die
eigentlich klare Ziele hat - und deshalb, wenn wir von
Verhältnismäßigkeit oder Unverhältnismäßigkeit sprechen, dann bitte
ich diejenigen, das auch zu berücksichtigen, dass die Bedrohung, der
Charakter der Bedrohung, die Fähigkeit der Organisation und deren
Absichten bei uns Grund für Überlegungen sind, die uns zur Reaktion
veranlassen. Und wir stehen vor einer Organisation, die entschlossen
ist, die iranische Politik in die Tat umzusetzen, Israel langfristig
zu zermürben, um Israel zu zerstören.
Diese Organisation (Hisbollah), was die Fähigkeit anbelangt, hat
seit Anfang der 90er Jahre bis heute ein unwahrscheinliches
Potential aufgebaut. Wir schätzen, dass es zwischen zehn- und
zwölftausend Raketen verschiedener Reichweiten eben sind. Und
deshalb, wenn die Absichten dieser Organisation eben klar sind, wenn
die Fähigkeit dieser Organisation klar ist, dann muss erst dann die
Frage gestellt werden: Ist das, was wir tun, verhältnismäßig oder
unverhältnismäßig mit dem, was ich eben gesagt habe.
Ich bin immer überrascht von der Tatsache, dass die Menschen im
Westen so überrascht sind, wenn wir uns verteidigen. Die
Kriegsführung der Terrororganisationen ist so, dass sie eigentlich
hinter der Bevölkerung sich verschanzen, sei es im Gazastreifen, sei
es in der Westbank und erst recht im Libanon. Die haben jahrelang
libanesische Dörfer als Geisel genommen, ihre Munition und Raketen
dort versteckt und aufgebaut, und so bleibt uns leider nichts
anderes übrig, als gezielt gegen die anzugehen mit dem Wissen, dass
sie eigentlich die Bevölkerung missbrauchen, um sich zu
verteidigen.
Reaktionen aus der arabischen Welt
Die Außenminister der Arabischen Liga kamen am letzten Wochenende
in Kairo zusammen, um über die Lage zu beraten. Und sie konnten sich
eigentlich nicht einigen. Auf diesem Treffen wurde ganz klar, dass
es sich hier um zwei Lager handelt, das gemäßigte Lager, um
Saudi-Arabien, Jordanien, Ägypten, Golfstaaten, um Maghreb, die
genau so die Gefahr und die Bedrohung der Hisbollah sehen und über
die Hisbollah hinaus die Gefahr, dass, wenn wir aus dieser
Auseinandersetzung nicht als Sieger hervorgehen werden, dann werden
auch die gemäßigten arabischen Regime von dem Radikalislam bedroht.
Und auf der anderen Seite lag ein kleines Lager der radikalen
Arabischen mit Syrien, dem Sudan, Jemen und draußen auch
selbstverständlich der Iran.
Insofern, glaube ich, sehen auch innerhalb der arabischen Welt
die gemäßigten Kräfte die große Sorge und verfolgen ganz genau, wie
diese Auseinandersetzung zu Ende kommen wird. Eine zusätzliche
Bemerkung zu Ihrer Frage, über die wir schon gesprochen haben:
Greifen wir nicht zu Terror, dann wird es als Schwäche wahrgenommen.
Tun wir etwas, um uns gegen den Terror zu wehren, dann spielen wir
in die Hände der Extremisten. So muss ich sagen, egal, was wir tun,
man wirft uns immer vor: Entweder - oder. Aber am Ende glaube ich,
wenn es uns nicht gelingt, die Hisbollah zu entwaffnen - und das ist
ja nicht eine Aufgabe von jetzt auf gleich, die muss auch mit der
Hilfe der Staatengemeinschaft angegangen werden - sendet das ein
klares negatives Signal über die lokale Szene in die regionale und
globale Szene was die Fähigkeiten des Westens angeht, sich gegen den
Terror zu verteidigen.
Das Ziel: langfristige Stabilisierung der
Lage
Was wichtig ist, ist, dass wir uns über die Ziele und Prinzipien,
eine Regelung, einen Waffenstillstand und langfristig eine
Stabilisierung der Lage erleben. Und wir sind uns alle im Klaren,
die Frage ist die der Umsetzung dieser Prinzipien. Und dahin, glaube
ich, sollen auch die Gespräche, die internationalen Bemühungen
gehen. Alle Versuche jetzt einen Waffenstillstand - übrigens,
zwischen wem und wem? Zwischen Israel und der Hisbollah? Auf keinen
Fall. Israel wird sich eben nicht auf einen Waffenstillstand mit der
Hisbollah einlassen. Wir würden auch mit der Hisbollah über einen
Waffenstillstand nicht verhandeln.
Kein Gefangenenaustausch
Ich habe gesagt, dass wir uns nicht noch einmal auf die alten
Spielregeln einlassen werden. Wir haben es einmal probiert, und das
wurde nicht belohnt. Denn, wie ich Ihnen gesagt habe, Nasrallah hat
es als Zeichen der Schwäche genommen und jetzt noch einmal Soldaten
entführt. Sollen wir uns auf solche Spielregeln von Fall zu Fall
einlassen? Das ist ja eben klar nicht unsere Absicht. Deshalb glaube
ich, die internationalen Bemühungen sollten dazu dienen, die
Beschlüsse des Weltsicherheitsrates des Gipfels in St. Petersburg in
die Tat umzusetzen.
Legitime Kritik an Israel
Jeder Freund hat das Recht, wenn er es gut meint, uns zu
kritisieren. Es geht ja nicht um das Prinzip, ist das legitim oder
illegitim. Es kommt auf die Art und Weise an, wie man uns kritisiert
und was die Motive für diese Kritik sind. Deshalb sage ich,
Deutsche, Amerikaner, Franzosen haben das Recht, uns zu kritisieren.
Aber wohlgemerkt, es muss konstruktiv sein, dass es eben nicht aus
Motiven geschieht, die ja nur dann die Kritik eigentlich zum Anlass
nehmen um etwas anderes zu sagen. Das haben wir auch in der
Bundesrepublik in den letzten Jahren erlebt.
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