(1) Hamas anscheinend überraschender
Wahlsieger in der Autonomiebehörde
Nach ihrem überraschenden Sieg bei den palästinensischen
Parlamentswahlen hat die radikal-islamische Hamas-Organisation am
Donnerstag angekündigt, so bald wie möglich mit
Koalitionsverhandlungen zu beginnen. Ein Vertreter der bisher
regierenden Fatah-Bewegung sagte jedoch, dass sie einer Regierung
unter der Führung der Hamas nicht beitreten würde.
Entgegen allen Erwartungen gewann die militante Organisation fast
alle Direktmandate der 16 Wahlkreise in der Westbank und im
Gazastreifen. Nach Schätzungen der palästinensischen
Bir-Zeit-Universität gewann die Fatah insgesamt 63 Sitze und die
Hamas 58. Nach anderen Angaben erhielt die Fatah 58 und die Hamas
53. Das palästinensische Parlament hat 132 Sitze.
In Jerusalem gewann die Organisation alle vier Sitze, die für
Muslime vorbehalten sind. Zwei Sitze sind für christliche Vertreter
reserviert (Sperrminoritäten).
Das endgültige Ergebnis soll am Donnerstagabend um 18.00 MEZ
bekannt gegeben werden.
Die Wahl am Mittwoch war eine personalisierte Verhältniswahl.
Jeder Wähler hatte zwei Stimmen (Direktkandidat und Landesliste).
Gewählt wurden 66 Direktkandidaten. Weitere 66 Sitze werden anteilig
auf die Parteien verteilt.
Das palästinensische Kabinett reichte am Donnerstag seinen
Rücktritt ein. Die Fatah-Bewegung erkenne den Wahlsieg der Hamas an,
erklärte der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Qureia in
Ramallah.
Vorläufige Ergebnisse:
Westjordanland In Hebron gewann die Hamas alle 9 Sitze. In
Ramallah gewann sie 4 von 5. Der fünfte war einem christlichen
Vertreter vorbehalten. Auch in Nablus, Jenin, Qalqiliya, Tulkarem
und Salfit gewann die Hamas die Mehrheit der Direktmandate.
Gazastreifen Die Hamas gewann alle Sitze in den nördlichen
Distrikten, Gaza-City und Dir-al-Balah. In Khan Younis, im Süden des
Gazastreifens, gewann die Hamas 4 von 5 Sitzen. Den fünften Sitz
gewann offensichtlich Mohammed Dahlan (Fatah). Lediglich in Rafah,
ebenso im Süden, gewann die Fatah eine Mehrheit der Sitze.
Die Beteiligung lag laut Wahlkommission bei 78 Prozent. Die
Abstimmung verlief unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen ohne
große Zwischenfälle.
Reaktionen
Die EU-Kommission will mit jeder palästinensischen Regierung
zusammenarbeiten, die ihre Ziele friedlich verfolgen will. Das
kündigte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am Donnerstag in
Brüssel an.
US-Präsident George W. Bush sagte am Mittwoch, Washington werde
mit der Hamas nicht zusammenarbeiten, solange die Hamas ihrem Ziel
der Zerstörung Israels nicht abschwöre.
Der amtierende Ministerpräsident in Israel, Ehud Olmert, wandte
sich gegen eine Regierungsbeteiligung der Hamas. Die Hamas dürfe als
terroristische Organisation, die zur Zerstörung Israels aufruft,
nicht Teil der Palästinensischen Autonomiebehörde werden.
Außenministerin Zipi Livni wird am kommenden Mittwoch nach Kairo
reisen, um sich mit dem ägyptischen Präsidenten, Hosni Mubarak, zu
treffen. Es ist der erste Auslandsbesuch Livnis als Außenministerin.
Shimon Peres reiste am Donnerstagmorgen in die jordanische
Hauptstadt Amman, um sich mit König Abdullah über den Wahlsieg der
Hamas zu beraten. (Haaretz, 26.1.)
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