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(3) Warum der
palästinensische Finanzminister Salam Fiad zurückgetreten
ist
Vor wenigen Tagen trat der palästinensische Finanzminister Salam
Fiad von seinem Amt zurück. Als Begründung für seine
Amtsniederlegung gibt es verschiedene Versionen. Die persönlichen
Umstände Fiads, der als sehr professionell gilt, sind weniger
interessant. Wichtiger ist die Frage, ob sein Rücktritt etwas mit
dem zu tun hat, was auf wirtschaftlicher und finanzieller Ebene in
den palästinensischen Rängen vor sich geht.
Fiad, Ökonom von Beruf, hat sich durch seine Tätigkeit für die
Weltbank einen Ruf geschaffen und reichlich Erfahrung gesammelt. An
der palästinensischen Politik war er nicht beteiligt. Nach eigenen
Angaben verließ er die Regierung, da er bei den Wahlen in seinem
Heimatbezirk Tulkarem antreten möchte. Nach dem palästinensischen
Wahlgesetz müssen Amtsinhaber wie ein Regierungsminister, die für
die Wahlen kandidieren möchten, zunächst das Staatsamt einige Zeit
vor den Wahlen ruhen lassen.
Nach anderen Berichten (u.a. in der arabischen Zeitung „Al Hayat
al Jadida“, Wochenendausgabe) legte Fiad sein Amt nieder, da
Innenminister Nasser Youssef, Leiter der palästinensischen
Sicherheitsapparate, den Sicherheitsbehörden in Gaza weitere 2.500
Jugendliche hinzugefügt hatte, von denen die meisten den Milizen der
Fatah oder anderen militanten Bewegungen angehören. Youssef tat dies
mit der Genehmigung des Vorsitzenden der Palästinensischen
Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas. Youssef will den Behörden in naher
Zukunft noch mehrere Tausend jugendliche Terroristen der Hamas und
des Islamischen Jihad anzuschließen. Die Vergrößerung der
Sicherheitsapparate stellt für den Finanzminister eine große
finanzielle Belastung dar und Fiad, so diese Veröffentlichungen,
könne dies nicht vertreten.
Mitglieder der palästinensischen Regierung erklärten, dass die
Aufnahme Tausender Jugendlicher in die Sicherheitsapparate
hauptsächlich in Gaza, doch auch in der Westbank, der einzige Weg
für Abbas sei, um die Sicherheitslage zu beruhigen. Zehntausende
Jugendliche verlassen jedes Jahr die Schulen und palästinensischen
Universitäten und bleiben ohne Beschäftigung. In der Vergangenheit
sind sie zur Arbeit nach Israel gegangen und jeden Abend mit vollen
Taschen nach Hause zurückgekehrt. Die Aufnahme in die
Sicherheitsapparate der Autonomiebehörde sei der einzige Weg, sie
ruhig zu halten. Egal wohin, nur um ihnen einen gewissen Rahmen und
ein kleines Einkommen zu verschaffen. Zum Vergleich: zur Zeit der
israelischen Verwaltung in Westbank und Gazastreifen gab es dort ca.
20.000 palästinensische Angestellte (die meisten von ihnen Lehrer),
sowie eine nicht bekannte Zahl von Sicherheitsmitarbeitern. Unter
der palästinensischen Regierung sind es 160.000 Angestellte, etwa
ein Drittel von ihnen in den Sicherheitsapparaten.
Die palästinensischen Finanzen ermöglichen es nicht, eine solch
große Anzahl von Gehältern zu zahlen. Hinzu kommt, dass es in den
letzten Wochen Beförderungen gegeben hat und führende Palästinenser
Gehaltserhöhungen erhielten. Manche nennen das Wahlwirtschaft.
Mahmoud Abbas und seine Männer von der Fatah-Bewegung wollen die
Herzen der Wähler gewinnen, indem sie Errungenschaften vorweisen,
wie z.B. die Öffnung des Grenzübergangs von Rafiah oder
wirtschaftliche Verbesserungen und neue Jobs.
Die palästinensische Wahlwirtschaft umfasst auch die Genehmigung,
die Abbas vor einiger Zeit für den Bau und die Entwicklung von
Projekten der kommunalen Räte in der Westbank und im Gazastreifen
ausstellte. Nicht selten wurden die Projekte genehmigt, indem das
Finanzministerium umgangen wurde. Woher kommt das Geld? Im
Allgemeinen aus Gewinnen der Monopole und einem Investmentfonds, den
Yasser Arafat seiner Zeit errichtet hat und an dessen Spitze er den
Vertrauensmann Muhammad Rashid gestellt hatte (genannt Khaled
Salam). Der Fonds macht gute Gewinne. Offiziell ist der
Finanzminister für ihn verantwortlich. Doch Abbas hat das Recht,
letztendlich über diese Gelder zu entscheiden, und es gab Fälle, in
denen er entgegen der wirtschaftlichen Erwägungen Fiads vorging und
versucht hat, sich „mit dem Volk gut zu stellen“.
Das Ergebnis ist also die Gefahr des finanziellen Kollaps der
Autonomiebehörde. Auf der Straße hört man bereits Beschwerden
darüber, dass das palästinensische Arbeitsministerium in den letzten
Wochen einen Teil der niedrigen Zahlungen zurückgehalten hat, die
die Familien der während der Intifada Getöteten erhalten - ca. 300
Shekel im Monat. Vor diesem Hintergrund ist die Amtsniederlegung
Fiads eine Warnung vor der schweren finanziellen Situation der
Autonomiebehörde, die sich auch politisch auswirken kann. (Haaretz,
28.11.)
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