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(1) „Lasst Euch nicht vom Iran
entmutigen“
Die Bemühungen, die „iranischen Bombe“ zu stoppen, haben durch
den Aufruf des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad „Israel
von der Landkarte zu tilgen“ eine neue Bedeutung bekommen. Die
radikalen Äußerungen haben den Ernst der Bedrohung, der sich Israel
ausgesetzt sieht, deutlich gemacht und weltweit eine Welle der
Empörung ausgelöst. Doch Israel kann sich nicht mit solchen
Bekundungen zufrieden geben, wenn es sich einem Feind gegenüber
sieht, der damit droht, Israel zu vernichten und danach strebt, sich
mit den dazu notwendigen Mitteln auszurüsten.
Im vergangenen Jahr hat das internationale Bewusstsein für die
vom Iran ausgehende wachsende Gefahr zugenommen. Die westlichen
Staaten übten zunehmend Druck auf den Iran aus, damit er die
Urananreichung, die zur Produktion von Atombomben genutzt werden
kann, einstelle. Die Verhandlungen hatten vor einem Jahr zu einem
Abkommen über die Aussetzung geführt, das der Iran jedoch nicht
einhielt. Am vergangenen Wochenende lehnte Teheran einen weiteren
Kompromissvorschlag ab, nach dem das iranische Uran zur Anreicherung
nach Russland gebracht werden sollte. Die iranischen Führer bestehen
auf ihr „Recht“, das in den internationalen Verträgen verankert ist,
Uran auf ihrem Staatsgebiet anzureichern.
Derweil tritt die Krise in eine neue Phase ein. Am kommenden
Donnerstag wird das Präsidium der Internationalen
Atomenergie-Agentur (IAEA) darüber beraten, ob der
UN-Sicherheitsrat, der über Sanktionen entscheiden kann, beauftragt
werden sollte, sich mit dem Iran zu beschäftigen. Russland
widersetzt sich dem noch immer und besteht darauf, dass man den
diplomatischen Bemühungen noch eine Chance gibt. Russland weist die
israelische Einschätzung zurück, dass sich der Iran dem „point of no
return“ nähere, ab dem er selbst über die Fähigkeit zum Bau der
Atomwaffe verfüge.
Ministerpräsident Ariel Sharon entschied sich für Zurückhaltung.
Er zieht vor, die Auseinandersetzung mit dem Problem den USA und
Europa zu überlassen: die USA soll sich um die iranische Bedrohung
kümmern und Europa um die Freundschaft mit dem Iran. Sharon
befürchtet, dass eine Positionierung Israels als Brückenkopf zu
einer direkten Konfrontation mit dem Iran führen und den Europäern
eine bequeme Ausrede liefern könnte, um sich aus der Angelegenheit
zurückzuziehen. Israel gibt sich also damit zufrieden, seine
Abschreckung zu stärken und mit den Amerikanern, Europäern und
Russen Gespräche zu führen. Es gibt eine Logik in dieser Haltung,
doch dies darf nicht als Zustimmung für den Stillstand in den
zwecklosen diplomatischen Bemühungen ausgelegt werden. Es ist
wichtig, dass Israel deutlich macht, dass die Zeit drängt und der
Diplomatie ein deutliches Ultimatum gesetzt werden muss.
Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton äußerte sich bei seinem
derzeitigen Besuch in Jerusalem positiv über die Position Israels.
Clinton sagte, dass die diplomatischen Bemühungen nicht ewig
fortgesetzt werden könnten und es wichtig sei, den Druck zu erhöhen
und dem Iran Sanktionen aufzuerlegen, auch wenn es schwer fallen
sollte, ein solch starkes und Erdöl förderndes Land wie den Iran auf
diesem Wege zu beugen. Er nahm auch zu der Möglichkeit eines
Militärschlags gegen die iranischen Atomanlagen Stellung und schloss
einen solchen nicht aus, trotz seiner Einschätzung, dass es sich
dabei um eine weitaus schwierigere militärische Herausforderung
handle, als dies bei der israelischen Bombardierung des irakischen
Reaktors 1981 und der Besatzung des Irak durch die amerikanische
Armee der Fall gewesen sei.
Der Iran fühlt sich heute stark angesichts der steigenden
Erdölpreise und den politischen Differenzen zwischen Frankreich und
den USA. Es besteht kein Zweifel daran, dass es unter solchen
Umständen wesentlich schwerer sein wird, Druck auf den Iran
auszuüben, doch die Bemühungen dürfen nicht nachlassen. Die
iranische Bombe muss gestoppt werden, bevor sie einsatzfähig ist und
das Kräfteverhältnis im Nahen Osten von Grund auf verändert.
(Haaretz, 16.11.)
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