(1) Knesset verabschiedet
Abkopplungsgesetz
In einer historisch bedeutsamen Entscheidung verabschiedete
gestern das israelische Parlament, Knesset, das Abkopplungsgesetz,
das den Weg für den Abbau aller jüdischen Siedlungen im Gazastreifen
sowie weiterer vier im nördlichen Westjordanland bereit. 59
Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 40 dagegen und 5 Parlamentarier
enthielten sich ihrer Stimme. Aus MP Sharons eigener Likud-Fraktion
stimmten 18 Abgeordnete für das Gesetz und 17 dagegen. Jedoch konnte
der Ministerpräsident einen wichtigen Sieg erringen, indem eine
Mehrheit von 72 Mitgliedern der Knesset eine Anlage zum Gesetz
ablehnte, die sich für ein Bürgerreferendum aussprach. Nach der
Knesset wird am Sonntag das israelische Kabinett über den
Abkoppelungsplan abstimmen. Die Zustimmung der Regierung gilt als
sicher. Die letzte Hürde, die der Abkoppelungsplan dann noch nehmen
muss, ist der Haushaltsentwurf für das Jahr 2005, der die
Entschädigung für die Familien bereithält, die die Siedlungen
verlassen. MP Sharon verfügt bisher jedoch über keine Mehrheit, die
dem Haushalt zustimmen wird, da mehrere Abgeordnete des Likud die
Zustimmung verweigern. Aufgrund dieser Tatsache führt die Koalition
seit mehreren Tagen Gespräche mit der ultra-orthodoxen Shas-Partei,
die prinzipiell für den Abkoppelungsplan ist, jedoch Nachbesserungen
im Haushalt für sozial Schwache fordert. Wird der Haushalt nicht bis
zum 31.März verabschiedet, werden automatisch Neuwahlen anberaumt.
Die Debatte über das Gesetz zog sich über 17 Stunden an zwei
Tagen hin und hat unterschiedlichste Reaktionen im Parteienspektrum
hervorgerufen. Gegner des Abkopplungsplans aus MP Sharons eigener
Fraktion, wie z.B. Knessetsprecher Reuven Rivlin äußerten sich
pessimistisch. Nach seiner Meinung hätten die Bürger den Likud
gewählt, weil man die Leute überzeugt hätte, dass die Oslo-Verträge
den Staat auseinanderreißen werden: die Entscheidung sich aus Gaza
zurück zu ziehen, „ist aber noch gefährlicher.“ Der
Likud-Abgeordnete und frühere Außenminister David Levy zielte mit
seiner Kritik direkt auf den Ministerpräsidenten: „All Jene, die
sich über die Demonstrationen der Siedler empören – haben sie selber
nicht auch demonstriert? Haben sie nicht selber Demonstrationen
angeführt?“ Auf der anderen Seite zeigten sich die Befürworter
des Abkoppelungsplans zufrieden. Vize-Ministerpräsident Shimon
Peres: „Es gibt keine Chance, dass Gaza Teil des jüdischen Staates
wird.“ Der Yachad-Abgeordnete Ran Cohen sprach von einem
„historischen Moment, welcher den Frieden voranbringen wird.“ Cohen
setzte sich seit Jahren dafür ein, dass in der Knesset über den
Abbau von Siedlungen abgestimmt wird.
Die Hauptpunkte des Gesetzes sind: 1.) Siedler über 21 Jahre
bekommen anstelle von geplanten 2.400 NIS, 4.800 NIS pro Jahr, das
sie in den Siedlungen gelebt haben. Siedler, die 30 Jahre in der
Siedlung gelebt haben, bekommen eine Altershilfe von 300.000 NIS.
Diese Änderung wird ca. 100 Millionen NIS zusätzlich kosten.
2.) Siedler im Alter zwischen 55-60 Jahren werden 12 Monate eine
„Anpassungsgebühr“ von 3.000-14.000 NIS erhalten, anstelle von
zuerst geplanten 6 Monaten. Zudem werden Siedler eine zusätzliche
Pension bis zum Alter von 67 Jahren ausgezahlt bekommen.
3.) Israelische Staatsbürger, die die Gebiete betreten, welche
vom Militär als Sperrzonen ausgezeichnet und für Zivilisten gesperrt
werden, können Strafen bis zu 2 Jahren Haft erhalten.
4.) Jene Personen, die am Tag des Abbaus der Siedlungen ihre
Häuser nicht verlassen haben, können zu Haftstrafen bis zu 6 Monate
verurteilt werden.
5.) Minderjährige, die während des Siedlungsabbaus verhaftet
werden, werden zusammen mit ihren erwachsenen Verwandten
inhaftiert.
6.) Die finanzielle Unterstützung für den Umzug wurde für eine
3-köpfige Familie von 9.000 auf 14.000 NIS, für eine 4-5köpfige
Familie von 13.500 auf 17.500 NIS und für eine 6 oder mehrköpfige
Familie von 18.000 auf 21.000 NIS erhöht.
7.) Die Miete für Familien, deren Haus gebaut wird und noch nicht
fertiggestellt wurde, wird ein Jahr, anstelle von 6 Monaten, vom
Staat bezahlt.
8.) Siedler, die sich im Negev, in Ashkelon oder dem Galil
ansiedeln, bekommen eine zusätzliche Entschädigung von
$50.000-80.000.
9.) Die Gebäudeentschädigung für Häuser, die in den Siedlungen
zurückgelassen werden, zahlt der Staat $700 pro Quadratmeter für ein
Fertigteilhaus, $850 pro Quadratmeter für ein öffentliches Haus und
$1.000 pro Quadratmeter für Häuser, die im Rahmen des Programms
„Baue dein eigenes Haus“ errichtet wurden.
10.) Die Grundquadratmeterzahl, die vom Staat entschädigt wird,
wurde von 70 auf 80 Quadratmeter angehoben.
11.) Das Finanzministerium wird den Steuerfreibetrag für
Anschaffungen eines neuen Hauses auf $500.000 für die
Siedlerfamilien erhöhen.
12.) Gewächshausbesitzer erhalten 80% des Wertes ihrer Anlagen
als Entschädigung.
13.) Die Siedler müssen nur 5% Steuern auf die
Entschädigungszahlungen abtreten, anstelle der geplanten
10%. (Haaretz, Jerusalem Post)
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