„Nachricht vom libyschen Geheimdienst, bitte lesen“: Vor wenigen Wochen erreichte eine Email das Außenministerium in Jerusalem. Der Absender unterzeichnete gemeinsam mit 20 anderen Mitarbeitern des libyschen Nachrichtendienstes. „Wir sind Offiziere der libyschen Armee und an einer Zusammenarbeit mit dem israelischen Verteidigungsministerium auf den Gebieten Sammlung von Daten, Plänen, sowie strategischen Militärcamps und Außenposten interessiert. Wir sind für diese Aufgabe gewappnet und bitten um ihre Unterstützung. Bitte antworten Sie uns schnell, vor allem, da wir Sie als Verbündete ansprechen. Wir trachten nach Freiheit für das libysche Volk. Bitte antworten Sie per Email.“
Dies ist nicht die einzige Nachricht aus einem arabischen Land, die Jerusalem in letzter Zeit erreichte. Ein Internetsurfer aus Jemen fragte, was er tun müsse, um ins Judentum überzutreten. Ein Palästinenser beklagte sich, drusische Soldaten hätten ihn an einer Straßensperre wüst beschimpft, ein marokkanischer User sandte dem „friedliebenden“ Volk Israel ein Kondolenzschreiben für die Opfer des Terrors. Ein algerischer Surfer schrieb, dass er gerne israelische Mädchen kennen lernen möchte, ein Libanese rief die US Armee auf, die Hisbollah aus dem Libanon zu vertreiben, und ein Iraker aus Mosul erkundigte sich, wann die israelische Botschaft im Irak ihre Türen öffnet.
Diese und andere Nachrichten erreichen fast täglich die arabischsprachige Website des Außenministeriums www.altawasul.net (vgl. NL120104). Die meisten Absender bekunden ihr Interesse, andere bitten direkt um Hilfe. Die Seite gibt es seit einem halben Jahr und bietet Informationen aus Israel über die Regierung und Persönlichkeiten in Israel, etwas Geschichte, Wirtschaft, Forschung und Soziales sowie Übersetzungen von Beiträgen in der israelischen Presse. Zukünftig soll die Seite israelische Lieder, Rätselspiele, statistische Übersichten, Interviews und Serviceleistungen für Geschäftsleute enthalten.
Der Initiator der Seite, der ehemalige Pressesprecher der israelischen Botschaft in Jordanien, Amir Weissbrod, bemerkte, dass es ein tiefes Wissensdefizit über Israel in der arabischen Welt gibt. Um so interessanter waren die sofortigen Reaktionen, sagt Weissbrod. „Ein Surfer aus Ägypten fragte nach einer Aufnahme des Sängers Dudu Yasmin, ein palästinensischer Journalist beantragte einen israelischen Presseausweis, und ein User aus Ägypten schrieb an Außenminister Shalom: ‚Ich möchte Sie höflichst bitten, alles dafür zu tun, den Empfang der arabischsprachigen Sendungen des Israelischen Rundfunks zu verbessern, der sich während der letzten zwei Jahre verschlechtert hat. Der Kanal genießt bei allen Arabern höchstes Ansehen.“
Die Seite erreicht einige Hundert Hits täglich und mehr. Im Briefverkehr fanden sich fast keine beleidigenden Zuschriften. „Hier gibt es Potential für den Dialog mit der arabischen Welt, und wir sehen, dass die andere Seite hungrig danach ist“, sagt der Mitarbeiter Lior Ben-David in Jerusalem, der für Pflege der Seite verantwortlich ist, „der Austausch geschieht mit Bürgern, mit dem Volk selbst, nicht mit den Behörden, und wir machen uns die Diskretion zu Nutze, die das Internet uns bietet. Das Projekt befindet sich noch in einem Anfangsstadium.“
Der frühere Pressesprecher der israelischen Botschaft in Kairo, Ben-Dor, heute stellvertretender Direktor der Abteilung für Arabische Medien im Jerusalemer Außenministerium, ergänzt: „Ägyptische Staatsbürger, die Informationen über Israel anfordern, haben Angst, die israelische Botschaft in Kairo aufzusuchen, weil sie unmittelbar darauf von ägyptischen Behörden zur Befragung vorgeladen werden. Die Internetseite bietet ihnen die Möglichkeit, frei und ohne Befürchtungen das zu fragen, was sie wissen wollen.“ Auf diese Weise entsteht ein Meinungsaustausch, die uns zeigt, was die jeweils andere Seite denkt.
Vor einigen Wochen veröffentlichte ein irakischer Journalist, der in Dänemark lebt, einen Artikel über die Gruppe um den al-Qaida-Führer im Irak, Abu Musab al-Zarqawi. Nach einem Gedankenaustausch mit dem Außenministerium schrieb der Journalist per Email nach Jerusalem: „Ich habe viele meiner Freunde, irakische Intellektuelle, auf den Kontakt mit Ihnen hingewiesen. Sie sind begeistert und schlugen vor, eine Art irakisch-israelische Kulturvereinigung zu gründen.“ Ein marokkanischer Staatsbürger und evangelikaler Christ wandte sich an Al-Tawasul mit der Bitte, Israelis zu treffen. Ein ägyptischer Physiker machte den Vorschlag für ein gemeinsames Friedensprojekt mit israelischen Wissenschaftlern.
Schließlich ergriff Ben-Dor einmal selbst die Initiative und kontaktierte einen Syrer aus der Stadt Latakla, der es gewagt hatte, einen Artikel zu veröffentlichen, der die syrische Politik gegenüber den USA kritisierte. Er lud ihn ein, die Internetseite des Außenministeriums zu besuchen und auf diese Weise in Kontakt zu bleiben. Auf das Angebot zu einem telefonischen Gedankenaustausch antwortete der Syrer freilich: „Ich habe kein moralisches Problem, mit Ihnen in Kontakt zu treten, aber nicht über das Telefon. Ich habe Ihre Seite gesehen, und ich wünsche Ihnen Erfolg, und zwar in einem demokratischen und nicht-zionistischen Sinne.“
Ein moslemischer irakischer Journalist, der in Hamburg lebt, bat in besonderer Weise um Hilfe. Seine Großmutter, Samiha Hano, sei jüdisch gewesen, und Tochter einer der bekanntesten Familien in Basra. „Sie hatte zwei Brüder und eine Schwester“, erklärte der Journalist, „Maggi, Moris und Naji, die eine der Gründer der irakischen kommunistischen Partei war. Meine Großmutter starb im Golf-Krieg von 1991 in meinen Armen. Ihr letzter Wunsch war: ‚Finde meine Geschwister’. Bitte helfen Sie mir, damit meine Großmutter in Frieden Ruhe finden kann.“
Al Tawasul gehört zu den erfolgreichsten Mitteln des israelischen Außenministeriums, an die arabische Welt heranzutreten, sagt Amira Oron, Direktor der zuständigen Abteilung in Jerusalem und früherer israelischer Wirtschaftsattaché in Kairo, und sie ist die Grundlage für eine Zukunft in Frieden. (www.israel21c.org)