Newsletter der Botschaft des Staates Israel - Berlin

   Montag, 19. Juli 2004
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(1) Warum die Araber Israels nicht wirklich etwas gegen den Sicherheitszaun unternehmen, von Yair Ettinger, Ha’aretz
(1) Warum die Araber Israels nicht wirklich etwas gegen den Sicherheitszaun unternehmen, von Yair Ettinger, Ha’aretz

Am Montagmittag letzter Woche, dem dritten Streiktag, strahlte die Sonne heiß auf das Demonstrationszelt im A-Ram Bezirk im Norden Jerusalems. Unter der gelben Plane des Zeltes neben dem kulturellen Zentrum A-Rasi sitzen Gäste und Aktivisten. Einige tragen Armbinden, auf denen auf Arabisch „Hungerstreik“ steht. Aus einem kleinen Lautsprecher im Zelt dringen gellende Klänge von palästinensischen nationalistischen Liedern.

 

Der Hungerstreik und das Zeltlager, die der israelische Knessetabgeordnete Azmi Bishara der arabischen Partei Balad initiierte, stießen auf großes Interesse bei Anhängern der Fatah, Vertretern des palästinensischen Parlaments und linken israelischen Aktivisten, die sich zu den Streikenden hinzugesellen. Hunderte waren angereist, um sie willkommen zu heißen, unter anderem eine Delegation der Einwohner im sogenannten „Dreieck“, einem Teil Israels im Norden des Landes, in dem mehrheitlich israelische Araber leben, nicht weit entfernt von der grünen Linie zum benachbarten Westjordanland. Auch eine Delegation von Neture Karta Avrech (Jeshiwa Studenten) aus Jerusalem ist gekommen, deren Schilder „Aufhören mit dem Nazi-Ghetto-Zaun“ manche in Verlegenheit brachten.

 

Palästinensische und internationale Medien haben viel darüber berichtet. Der Abgeordnete des israelischen Parlaments, der sich nur von Wasser und Salz ernährt hat, wurde als Held empfangen. „Empfangt sie mit Beifall“ sagt er, als Kinder eines Sommerlagers aus dem palästinensischen Dorf Anata in der Schlange stehen, um ihn zu begrüßen.

 

„Ich werde nicht damit aufhören, es ist ernst“, erklärte Bishara, „ich mache weiter bis zum Schluss“. Bisharas erklärtes Ziel ist weder das „Apartheid-Regime in Israel zu stürzen“ noch ein Ende des Zaunbaus herbeizuführen. Sein Ziel ist, weltweit Druck auf die israelische Regierung auszuüben, auch von Seiten der israelischen Gesellschaft; die Leute in Jerusalem sollen aktiviert werden, um Ministerpräsidenten Sharon unter Druck zu setzen. „Die ganze Welt ist mit der Frage beschäftigt, ob er den Gazastreifen räumt oder nicht, aber das wichtigste passiert hier, die Trennung und die Abriegelung“, so Bishara.

 

In den Tagen seit dem Urteilsspruch des Obersten Gerichtshofes und dem Urteilsspruch in Den Haag ist der Zaun wieder zu einem heißen politischen Thema geworden, vor allem in den Medien. Der Koordinator der „palästinensischen Kampagne gegen den Apartheid-Zaun” Aber Gamal Gumaha ist einer von 25 Personen, die sich im Laufe der Woche zu den Hungerstreikenden hinzugesellt hat. Er ist überzeugt, dass es sich nicht um eine einmalige Demonstration handelt, bei der sich eine arabische Partei aus Israel bemüht, gegen die Trennung vorzugehen. „In der letzten Zeit haben wir bemerkt, dass es seitens der Araber in Israel viel mehr Interesse gibt, sich mit uns solidarisch zu erklären. Menschen fragen uns, was sie machen können“, sagt Gumaha. „Jetzt geht’s erst richtig los. Menschen werden verstehen, dass der Zaun auch die Beziehungen zwischen Palästinensern beider Seiten des Zauns beeinflussen würde, was die Kontinuität der Beziehungen zwischen den beiden betrifft, die Kultur, die Gemeinde, das palästinensische Volk als ein Volk“.

 

Es gibt niemanden, der bestreitet, dass sich die Beziehungen zwischen der israelisch-arabischen Bevölkerung und der palästinensischen in einer kritischen Lage befinden, hauptsächlich wegen des Zauns. Es ist daher klar, warum die arabischen Rechtsanwälte aus Israel das juristische Team gegen den Zaun anführen, und warum einige der Abgeordneten wie Muhammad Baraka und Ahamed Tibi regelmäßig an Demonstrationen gegen den Zaun teilnehmen.

 

Aber es ist auch rätselhaft, warum es von arabischer Seite so aussieht, als sei der Zaun ein palästinensisches Problem, während die Abgeordneten in den Medien auftreten und nach dem Urteilspruch aus Den Haag die Regierung mit ihren Hungerstreiks stürzen wollen. In Wadi Ara steht der Zaun bereits ein Jahr und veränderte dort sowohl die wirtschaftliche Situation als auch die familiären Beziehungen, aber außer zwei Demonstrationen mit wenigen Teilnehmern, die in Baka el Garbia im Februar diesen Jahres stattfanden, gab es keine Demonstrationen, Proteste oder Petitionen der arabischen Anwohner bezüglich des Zauns. Es ist erstaunlich, dass die Menschen von Wadi Ara nicht demonstriert haben, sagt auch der arabische Abgeordnete bedauernd: „Es war sehr schwer, Menschen gegen den Zaun zu mobilisieren.“

 

Die jüdischen und arabischen Aktivisten unter den Demonstranten gegen den Zaun beschweren sich über die arabischen politischen Parteien: „Wir erwarten, dass viel mehr getan wird“, sagt Gumaha „viel mehr Aktionen müssen dort (in den arabischen Orten in Israel, Anm. d. Red.) veranstaltet werden, um das Bewusstein der Bevölkerung zu wecken, Gruppen müssen kommen und rund um den Zaun laufen, um den Zustand zu sehen und Solidarität zu zeigen“.

 

Hulud Badui, die für den Verband für Bürgerrechte recherchiert, schätzt, dass die Zahl der arabischen Aktivisten, die aus Israel kommen, um an den Demonstrationen gegen den Zaun teilzunehmen, auf Einhundert. Viele davon gehören den arabischen Parteien an (z.B. Hadash), die mit den palästinensischen Organisationen zusammenarbeiten oder zu den linken Organisationen, die gegen den Zaun sind, Juden und Andere wie „Anarchisten gegen den Zaun“ oder „Koalition der Frauen für den Frieden“.

 

„Die Palästinenser in den besetzten Gebieten sind tief enttäuscht, dass die Palästinenser, die israelische Staatsbürger sind, nicht gegen dieses Unrecht kämpfen“, sagt Badui. „Es ist nicht wegen des Gefühls, alleine gelassen zu werden, sondern wegen der Einsicht, dass der Zaun viele Auswirkungen auf die Palästinenser in Israel haben und dass dies die Geschichte des ganzen palästinensischen Volks erneut prägen wird.

 

Es gibt mehr als eine Antwort, warum die arabisch-israelische Demonstration bezüglich des Zauns so schwach und unsicher ist, oder eigentlich nicht existiert: eine Führungskrise in der arabischen Gesellschaft, eine schläfrige politische Aktivität, das Gefühl von Verzweiflung, denn seit Oktober 2000 zögern viele Araber, zu demonstrieren oder eine nationale Position zu beziehen.

 

MdK Ahmed Tibi (Hadash/Ta’al) meint, dass das Hauptproblem der Konsens in der israelischen Gesellschaft bezüglich des Zauns ist, sei es von Rechts oder Links. Jeder, der das palästinensische Leid nicht unmittelbar miterlebt, glaubt an die Idee der Israelis und arabischer Bürger, als ob der Zaun eine wunderbringende Lösung sei, die diesen Konflikt beenden wird. Es ist nutzlos und irreführend, aber manche der Bürger denken das wirklich.“

 

Das Interessanteste ist, dass die arabisch-israelische Bevölkerung die Bewegung gegen den Zaun in der öffentlichen politischen Diskussion nicht unterstützt. Die Frage ist, wie es passieren konnte, dass die Isolierung der Dörfer des arabischen Dreiecks von den palästinensischen Dörfern innerhalb Israels ohne Reaktion von den Arabern der westlichen Seite geblieben ist? Der Zaun hat keinen israelisch-arabischen Protest erweckt, auch wenn die nördliche Seite 2002-2003 gebaut wurde. Die Ortschaften dieses arabischen Dreiecks in Israel sind nach 36 Jahren intensiver Verbindung von palästinensischen Orten isoliert worden. Wie konnte es passieren, dass einerseits Araber gegen den Zaun aktiv sind und andererseits manche Bauarbeiter des Zaunes Araber waren? Wie kam es dazu, dass der Grenzzaun weiter östlich auf palästinensisches Gebiet hin verschoben wurde?

 

Gibt es wirklich israelische Araber, die für die Trennung sind? Nur anonym hat ein bekannter Araber, Bewohner des „Dreiecks“, zugegeben: „Es stimmt, dass die arabische Öffentlichkeit ein Friedensabkommen will, aber abgesehen von dieser politischen Dimension sind 99% der Araber in Israel der Meinung, dass der Zaun eine positive Sache ist. Er hat alle illegalen Versuche verhindert, nach Israel einzudringen und den Diebstahl gestoppt. Die Wirtschaft hier blüht auf: Millionen, die in palästinensische Städte investiert wurden, können jetzt in Wadi Ara investiert werden. Vergessen Sie nicht, dass die arabischen Einwohner in Israel anders als die Palästinenser sind. Das arabische Publikum hat eine andere Lebensweise“. Dieser Vertreter, der nicht genannt werden will, ist nicht der Einzige, der so denkt. „Es gibt Leute, die sagen, ‚Gott sei Dank, dass wir die Verantwortung für sie los sind’“, erklärt ein Journalist und Einwohner von in Um el Fahem.

 

Es ist schwer, zwischen den anonymen Stellungnahmen und zwischen den Stellungnahmen Tibis und Bisharas eine „arabische Position“ zur Trennung zu erkennen. Aber außer der offiziellen Position hat bisher nur eine politische Persönlichkeit öffentlich ihre zurückhaltende Position bezüglich des Zaunes erklärt: Sheikh Hasham Abd A-Rahman, der Bürgermeister von Um el Fahem. Im Januar hatte er Ha’aretz gesagt, seit der Teil des Zauns gegenüber seiner Stadt vor einigen Monaten gebaut wurde, „schlafen die Bürger besser. Sie fühlen sich sicherer, niemand läuft durch ihr Land oder ihre Häuser, es explodieren keine Sprengsätze und ihr Leben ist nicht mehr in ständiger Gefahr“. Seine Meinung ist differenziert: Er ist für den Zaun, aber nur, solange er der Grünen Linie folgt und nur wenn sich auf diese Weise eine palästinensische Bewegung aufbaut.

 

Wie viele in Um el Fahem steht auch er unter dem Eindruck des schweren Schadens, der durch die Intifada entstanden ist, als Attentäter aus Jenin kamen, um Anschläge in Israel zu verüben. Der Ruf der Stadt war zerstört, sodass die Einwohner schon anfingen, sich mit falschen Adressen vorzustellen. „Aber kein Zaun kann mich von meinem Volk trennen“, sagt der Sheikh, der in den vergangenen Monaten für eine jüdisch-arabische Wirtschaftskooperation im Wadi Ara tätig ist, „aber auch ich will Sicherheit, auch ich will in Frieden leben. Seitdem die Regierung den Zaun gebaut hat, sind keine Attentäter durch Um el Fachem gezogen“.

 

Ähnliche Worte hört man bei Gesprächen in den Straßen von Um el Fahem und Baqa al Garbiya („Hätte man die Mauer nur sechs Meter höher gebaut“, sagte am Donnerstag ein Einwohner eines arabischen Ortes), aber als Sheikh Hasham sich öffentlich dazu geäußert hatte, lösten diese ein Erdbeben innerhalb der arabischen Öffentlichkeit aus. Daraufhin schreibt Sheikh Ra’ed Salah, Leiter der Islamischen Bewegung Nord in Israel, schnell einen scharfen Brief gegen den Zaun. Sheikh Hasham bleibt mit seiner Position alleine zurück, jedenfalls zunächst.

 

Gamal Gumaha hat nie gehört, dass arabische Israelis für den Zaun sind. Aber wenn man ihm erzählt, was andere darüber gesagt haben, verbirgt er nicht seine Enttäuschung: „Das liegt bestimmt daran, dass einige nicht richtig informiert sind“, und nach einer kurzen Pause wird er wütend: „Das ist nicht gerecht. Ich fühle mich schlecht, wenn ich so etwas höre. Das ist eine egoistische Haltung. Wo ist das Mitgefühl für die Anderen? Wissen diejenigen, die so reden, was ein Zaun für die Palästinenser bedeutet? Was hat er ihnen alles zerstört, er deprimiert sie, nimmt ihnen Land und Quellen? Das Leben der Palästinenser wird zerstört. Sie werden in einem Ghetto leben. Ich denke nicht, dass man gut schlafen kann, nachdem dies passiert ist.“ (Ha’aretz, 11. Juli 2004)


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