Kommentar von Amnon Rubinstein, Ha’aretz 16.02.2004
Englische Version: http://www.haaretz.com/hasen/spages/394477.html
Neil Mackay, einer der Redakteure der schottischen Zeitung Sunday Herald, veröffentlichte im November 2003 einen Artikel, in dem er Behauptungen aus arabischen Kreisen aufarbeitete, nach denen Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad in den Vereinigten Staaten im Voraus von dem Terroranschlag auf die Zwillingstürme gewusst und nichts zu dessen Verhinderung getan hätten. Bisher wurde diese geistesgestörte Behauptung nur unter extremistischen Arabern und Neonazis laut. Die Glasgower Zeitung fand es jedoch richtig, diese Falschmeldung ohne Angabe der Quelle zu wiederholen und brachte damit ihren Glauben an die Genauigkeit dieser Nachricht zum Ausdruck.
Der Artikel schockierte Parlamentsmitglied Jim Murphy von der Laborpartei und auch Lord Greville Janner sowie die Oberhäupter der jüdischen Gemeinden, die alle protestierten und die Redaktion der Zeitung aufforderten, eine Korrektur zu veröffentlichen. Der Redaktion weigerte sich jedoch und sagte, der Bericht basiere auf überprüften Quellen. In seinem Brief an Lord Janner bat die Redaktion der schottischen Zeitung diesen, nicht in die Falle Ariel Scharons zu treten, und jeden, der anderer Meinung sei als er, als Antisemiten zu verurteilen, obwohl Janners vorausgegangener Brief an Mackay keine solchen Beschuldigungen enthalten hatte.
Als Beispiel für Mackays Selbstgerechtigkeit zitierte der Chefredakteur der Zeitung Artikel, in denen Mackay Antisemitismus verurteilt hatte. Er versäumte aus irgendeinem Grund zu sagen, dass einige von Mackays besten Freunden Juden sind. Für den Staat Israel wäre es die einfachste Art dem Redakteur des Sunday Herald etwas zu entgegnen, wenn er die Zeitung wegen Verleumdung verklagen würde. Mittlerweile zieht das Außenministerium dies in Betracht.
Doch das Problem ist, dass der Artikel in der schottischen Zeitung nur ein Extrembeispiel der wilden und hysterischen Angriffe auf Israel ist. Diese Angriffe geschehen nicht nur wegen der Besatzung und wegen der Siedlungen. In solchen Angriffen wird Israel als bösartig porträtiert, als ein grässliches Land, das nicht nur fähig ist, den Palästinensern Schaden zuzufügen, sondern das auch Massenmorde in New York nicht verhindert, wenn diese seinen niederträchtigen Interessen dienen.
Jeder, der Israel auch nur ein bisschen kennt, weiß, dass das Land natürlich nicht so ist, wie es in manchen wichtigen Zeitungen beschrieben wird und dass solche Lügen gegen jede journalistische Regel verstoßen. Die Berichte in diesen Zeitungen ignorieren die Komplexität der israelischen Gesellschaft und präsentieren Israel als eine Karikatur. - So wird es übrigens auch in arabischen Medien dargestellt. Hier ist jeder Israeli ein Monster, das auf unglücklichen Arabern herumtrampelt.
[…]
Steckt in all dem Antisemitismus? Antisemitismus hilft sicher dabei, niederträchtige Dinge über Israel zu schreiben, doch er erklärt nicht alles. Etwas noch ernsteres mag im Gange sein. Traditioneller Antisemitismus akzeptierte keine Juden in der christlichen Gesellschaft, doch normalerweise verneinte er nicht –zumindest nicht prinzipiell- ihr Recht auf eine getrennte Existenz. Vor der "Kristallnacht" predigten selbst die Nazis den Slogan "Juden nach Palästina".
Der antisemitische Ton von Zeitungen wie der Sunday Herald verbietet den Juden das Recht auf eine separate Existenz, indem sie den Staat Israel delegitimieren […]
Die logische Schlussfolgerung aus dem verleumderischen Artikel der Sunday Herald wäre, dass ein demokratisches Land, das den Plan zur Ausführung eines Massenmordes in New York kennt und ihn nicht verhindert, keinerlei Recht hat zu existieren. Dies ist schlimmer als Antisemitismus.
Dies ist die Verneinung des Rechts auf Selbstbestimmung des jüdischen Volkes. Wenn solche Ansichten von wachsendem Antisemitismus begleitet werden, werden wir Juden dadurch in das dunkle Zeitalter zurückgebracht werden.